Bericht über den 40. FISAE Kongress von 1. bis 6. Oktober 2024 in Palma de Mallorca
von Mag. Georg Nemeth
Bereits der Veranstaltungsort Mallorca klang vielversprechend, steht die schöne Baleareninsel doch nicht nur für Sonne, Meer, Strand und Urlaubsvergnügen, sondern auch für kulturelle Highlights. Und so war es dann auch tatsächlich. Zusätzlich zum sehr attraktiven Programm konnten Mittagspausen zum Schwimmen im großen Hotel-Pool oder im Meer genutzt werden. Und per öffentlichem Bus erreichte man vom Hotel bequem um 2 Euro das Zentrum von Palma de Mallorca in 20 Minuten.
Bei prächtigem Spätsommerwetter trafen sich 111 Teilnehmer aus 22 Ländern zum XL FISAE Kongress im Hotel Alua Leo in Can Pastilla an der Platja de Palma, der von Mariano Casas Hierro (geboren 1941), dem Präsidenten der katalanischen Vereinigung der Exlibristen (ACE, Tarragona) und seinen englischsprachigen Helfern organisiert wurde. Aus Österreich waren leider nur 2 Teilnehmer angereist, sehr schade, denn diesmal passte das Reiseziel, das sehr interessante Programm mit vielen Besichtigungen und auch die Möglichkeit, Exlibris−Enthusiasten und viele Künstler aus der „ganzen“ Welt kennen zu lernen.
Nach der abendlichen Eröffnungsrede in drei Sprachen startete der nächste Tag mit einer geführten Besichtigung der sehenswerten Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca. Der Stiftungskomplex besteht im Wesentlichen aus 3 architektonisch herausragenden Gebäuden: das Museum mit Dokumentationszentrum und Bibliothek; das Studio Sert, die eigentliche Werkstatt Mirós, errichtet 1956 vom Architekten Josep Lluís Sert; und die benachbarte Finca Son Boter (aus dem 18. Jh.), die Miró 1959 erwarb, um dort ein zweites Studio für Malerei und Bildhauerei einzurichten. San Boter ist für Grafik−Interessierte besonders sehenswert, da sich darin auch die vollständig betriebsbereite Druckwerkstatt Mirós befindet. Die Fundació Miró Mallorca bewahrt die Lithografie− und Gravurwerkstätten, die Miró für die Entstehung seiner grafischen Serien und seiner Künstlerbücher nutzte. Darüber hinaus organisiert sie seit 1994 Grafik−Workshops für Gravur, Lithografie, Siebdruck, Keramik und Digitaldruck in den Werkstätten von Joan Miró für zeitgenössische Künstler.
Anschließend erfolgte eine Besichtigung des Castell de Bellver, das zwischen 1300 und 1311 auf Geheiß von König Jaume II de Mallorca als Schutzburg und Residenz im Stile eines gotischen kreisförmigen Wehrbaus auf einem 112 m hohen Hügel, ca. 3 km vom Stadtzentrum Palmas entfernt, errichtet wurde. Für dieses innovative mallorquinische Bauwerk sind keine Vorbilder bekannt, die als Inspiration hätten dienen können. Für den Bau des Schlosses mit verbundenem Hauptturm wurden leicht zu verarbeitende Marés−Sandsteine verwendet, die auf den Balearen weit verbreitet sind. Heute beherbergt das Schloss das sehr interessante Stadthistorische Museum mit einer Sammlung von Kunstwerken aus prähistorischer Zeit, römischer Antike, und Kunstgegenständen bis ins 20. Jahrhundert. Vom Dach des Gebäudes bietet sich ein weiter Rundblick über die Stadt und die Bucht von Palma.
Wer danach noch bei genügend Kräften war, konnte anschließend die berühmte Kathedrale von Mallorca besichtigen, ein Meisterwerk der Gotik, errichtet auf 14 hohen, schlanken Säulen, und mit einer der größten Fensterrosetten aller gotischen Kathedralen ausgestattet.
Am 3. Tag ging es mit hochkarätigen Ausstellungen in Palma weiter: zunächst war unser Super−Guide vom Vortag, der Kunsthistoriker Dr. Alejandro Ysasi, an der Reihe. Es stellte sich heraus, dass Ysasis Familie 1958/59 San Boter an Miró verkauft hat. Weiters ist er ein Enkel des mallorquinischen Malers „XAM“ = Pere Quetglas Ferrer (1.9.1915 Palma – 11.3.2001 Palma), von dem 45 Exlibris bekannt sind, davon 30 Holzschnitte.1 Voller Begeisterung führte uns Dr. Ysasi im Centro Cultural la Misericordia durch die von ihm kuratierte Ausstellung „Ex-libris. De Riquer a Xam. Historia de una colección de matrices y dibujos a Mallorca” (Ex-libris. Von Riquer bis Xam. Geschichte einer Sammlung von Matrizen und Zeichnungen auf Mallorca). Alexandre de Riquer i Inglada (1856 – 1920) war ein vielseitiger und prominenter katalanischer Grafiker, Zeichner, Maler, Bibliophiler, Schriftsteller und Dichter mit großem Anteil und Einfluss auf den katalanischen „Modernisme“ und durch seine Verbindung mit den europäischen Strömungen des Symbolismus und der englischen Art & Crafts Bewegung. Seine symbolistischen Exlibris zeigen häufig weibliche allegorische Figuren mit floralen Schmuckelementen. Anlässlich des XL FISAE-Kongresses wurde eine katalanische Publikation mit Abbildungen über Alexandre de Riquer von Marià Casas Hierro und Teresa Costa-Gramunt mit einem kurzen Resümee in Spanisch und Englisch veröffentlicht.2
Unmittelbar nach dieser Ausstellung machten wir uns auf den Weg zur Vor−Eröffnung einer grandiosen Ausstellung über – Sie lesen richtig – den österreichischen Meister des Kupferstichs, Prof. Alfred Cossmann. Der mallorquinische Sammler Manuel Ripoll verfügt über eine sehr qualitätsvolle und umfangreiche Sammlung dieses Künstlers, die er vor Jahrzehnten in Wien erworben hat, und die er anlässlich des FISAE Kongresses im Stadtarchiv von Palma (Arxiu Municipal de Palma – Can Bordils) nunmehr der Öffentlichkeit präsentiert. Neben Fotografien, Briefen, und Büchern zeigt die Ausstellung nicht nur viele Original-Exlibris von Cossmann, sondern auch großformatige freie Grafiken dieses herausragenden Künstlers. Besonders beeindruckend war die Gelegenheit, dass bei einzelnen Exlibris die verschiedenen Zustände des Druckes durch Probedrucke dokumentiert werden und sich dadurch die Entstehungsgeschichte vom Entwurf bis zum finalen Blatt nachvollziehen lässt.
Frau Dr. Helga Schwendinger, Mitglied der ÖEG, hielt zu Beginn eine Ansprache über Alfred Cossmann und hat auch einen Katalog−Text in spanischer Sprache zur Ausstellung verfasst. Dieser soll 2025 publiziert werden.
Am Tag 4 bot sich dann endlich längere Gelegenheit zum Tauschen von Exlibris im leider fensterlosen und viel zu kleinen Kellerraum des Hotels. Hier wurde nicht nur die Luft knapp, sondern auch die verfügbaren Sitzplätze und die Zeit. Die zahlreichen Sammler und die 27 Künstler hätten sicherlich mehr Raum benötigt, um die vielen grafischen Kunstwerke entsprechend präsentieren und tauschen zu können.
Apropos Raumnot: Diese bestand in höchstem Maße auch für die Präsentation der Exlibris, die von 261 Künstlern für den veranstalteten Exlibris−Wettbewerb zum Thema „Exlibris für den Frieden“, eingereicht wurden.3
Aus Österreich nahm, wie bereits berichtet, als einzige Künstlerin Alexandra Vogler am Wettbewerb teil. Zum Sieger wurde von der Jury das Eigenexlibris „Ex−libris for Peace“ (C3, C5) von Li Yifang (China) gekürt. Leider war die räumlich extrem enge Präsentation der Ausstellung im Keller nicht geeignet, die Werke gut in Szene zu setzen. Für Enttäuschung sorgte auch die Jury−Entscheidung, dass lediglich der erste Platz, nicht jedoch weitere Plätze oder Anerkennungspreise vergeben wurden. Diese fehlenden Auszeichnungen hätten sich die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler als Wertschätzung jedenfalls mehr als verdient.
Am Nachmittag des 5. Okt. fand unter dem Vorsitz des FISAE−Präsidenten Mariano Casas Hierro mit Moderation des Generalsekretärs Olli Ylonen (Finnland) die Generalversammlung der FISAE statt. Für den FISAE−Kongress 2026 standen zwei Austragungsorte zur Wahl, Athen und Varna. In einer geheimen Abstimmung konnte sich Varna in Bulgarien den 41. FISAE-Kongress 2026 mit 13 zu 10 Stimmen sichern. Nelly Valcheva, Director of Jordan Petkov Art Foundation in Varna, wurde zur neuen FISAE−Präsidentin (2024-2026) gewählt. Olli Ylonen bleibt für zwei weitere Jahre Generalsekretär der FISAE.
Großes Lob und Anerkennung erhielt Klaus Rödel für seine unglaubliche Leistung der Publikation von bereits über 400 FISAE-Newsletter. Die ÖEG wird die von Klaus Rödel per e-mail versandten Newsletter weiterhin auf ihrer Homepage https://www.exlibris-austria.at allen Interessierten zur Verfügung stellen.
Ein Beschluss betraf die Aufnahme der Abkürzung AIGD (artificial intelligence generated design) in die FISAE-Liste der verwendeten Techniken als Kennzeichnung von Exlibris und Grafiken, die mittels künstlicher Intelligenz gefertigt wurden.
Das abschließende Galadiner sorgte für eine Überraschung: Der Besuch des exklusiven Restaurants „Tabana“ entpuppte sich als Nachtclub-Restaurant mit Show-Einlagen und Animationsprogramm zum Mittanzen. Einziger Wermutstropfen bei dieser prallen Lebensfreude war die infernalische Lautstärke der Musik, die jede Unterhaltung vereitelte.
Alles in allem war es ein sehr gelungener Kongress4 und ein starkes Zeichen für einen erfolgreichen Fortbestand der FISAE, hoffentlich mit vielen Teilnehmern beim nächsten Kongress in Varna 2026. Georg Nemeth, Vorsitzender der ÖEG
Verweise:
1. Alejandro Ysasi: „XAM I L‘EXLIBRISME” Del 18 d’abril al 19 de juliol de 2015, Castell de Bellver, Palma, Edita Ajuntament de Palma, ISBN 978-84-87159-77-0, 95 S.
2. Marià Hierro Casas, Teresa Costa-Gramunt: Alexandre de Riquer i Inglada, XL Congrés FISAE Palma 2024, hg. von Associó Catalana d’Exlibristes und Contratalla-Art, Tarragona u. Barcelona 2024, 21 S.
3. Zum Exlibris-Wettbewerb wurde ein Katalog publiziert: Catalogo del Concurso: “Ex-Libris para la Paz: „Ex-libris per la Pau, Ex-libris para la Paz, Ex-libris for Peace, Palma 2024“ mit einem Vorwort (Katalanisch, Spanisch, Englisch) von Mariano Casas Hierro, ca. 260 Abb., ed. Associó Catalana d’Exlibristes i Contratalla-Art, Tarragona/Barcelona, 2024.
4. Weitere interessante Kongress-Publikationen:
• Joan Bauçà i Barceló i Xavier Soler Àvila: “Una aproximació a l’exlibrisme balear: Del segle XIV al XXI”, ed. Associó Catalana d’Exlibristes i Contratalla-Art, Tarragona/Barcelona, o.J. (2024).
• Inés Padrosa Gorgot: “Ex-libris Mallorquines en la Bibliotheca del Palacio de Peralda”, ed. Associó Catalana d’Exlibristes i Contratalla-Art, Tarragona/Barcelona, o.J. (2024).