Die Wiener Werkstätte und ihre Exlibris Künstler
von Heinrich R. Scheffer
Vor 90 Jahren ist nicht nur die Österreichische Exlibris-Gesellschaft gegründet worden, sondern in das Jahr 1903 fällt auch die Gründung der Wiener Werkstätte als "Productivgenossenschaft von Kunsthandwerkern in Wien registrierte Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung". Es galt, die "... Förderung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder durch Schulung und Heranbildung derselben für das Kunstgewerbe, durch Anfertigung von Gegenständen aller Gattungen des Kunsthandwerks nach künstlerischen, von Genossenschaftsmitgliedern hergestellten Entwürfen und durch die Errichtung von Werkstätten und den Verkauf der erzeugten Waren."
Hinter dieser sehr offiziellen Bezeichnung im Handelsregister verbirgt sich eine Initiative von zwei fortschrittlichen Wiener Künstlern und einem Mäzen. Es waren dies Josef Hoffmann und Koloman Moser, beide k.k. Professoren an der Kunstgewerbeschule in Wien und Fritz Waerndorfer, ein kunstsinniger, weitblickender, begeisterungsfähiger und vor allem finanzkräftiger Bankier. Sie wollten das eher theoretische Manifest der Wiener Sezession in die Tat umsetzen und mit Leben erfüllen "Stilkunst" sollte das "Gesamtkunstwerk" anstreben und die Werke der Sezessionisten sollten "alle Bereiche des Lebens umfassen". Hoffmann und Moser fühlten sich innerhalb der Sezessionsbewegung für das Kunstgewerbe verantwortlich und versuchten, das heimische Kunsthandwerk und seine Techniken zu beleben. Sie sollten nach den neuen Kriterien reformiert werden, wie es Ashbee und seiner Werkstätte in London gelungen war. Kunst sollte für jedermann erschwinglich sein, der Handwerker nicht nur als anonyme "Verfertigungsmaschine" dienen, sondern mit dem Entwerfer und auch mit dem Käufer in Kontakt treten können.
Schon in der VIII. Ausstellung der Wiener Sezession im Herbst 1900, in der die Arbeiten des schottischen Ehepaars Margaret und Charles Rennie Macintosh präsentiert wurden, fand eine Sensibilisierung für die Erneuerung des Kunsthandwerks statt. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Kontakte der Gründer der Wiener Werkstätte mit der englischen Kunsthandwerksphilosophie und ihren Proponenten, die zu einem regen Besuchs- und Gedankenaustausch führten. So lässt sich eine direkte Linie von London nach Wien ziehen, und in einer Genossenschafts-Werkstätte glaubten Hoffmann und Moser am ehesten diese neuen Grundsätze verwirklichen zu können.
Zu Beginn waren die Entwürfe von den Künstlerpersönlichkeiten Hoffmanns und Mosers dominiert und der Einfluss aus England unübersehbar. Der Schwarzweiß-Kontrast, die vereinzelt eingesetzte, quadratische Ornamentik von Macintosh waren prägend. Das Quadrat als Schmucksymbol wurde zu einem Markenzeichen für Josef Hoffmanns Gitterdekor ("Quadratl-Hoffmann") und die geometrischen Formen wie Kugel, Kubus, Quader oder Zylinder bildeten zumindest in den ersten Jahren der Produktion die Grundzüge der Ausführungselemente der Erzeugnisse der Wiener Werkstätte. Das Monogramm der Wiener Werkstätte und registrierte Schutzmarke - die Rosenmarke - wie auch die Signets der einzelnen Mitarbeiter weisen ebenfalls diese quadratischen Grundelemente auf.
Auch das japanische Kunst- und Formempfinden hatte einen starken Einfluss auf die Wiener Künstler um die Jahrhundertwende. Den Anspruch von klarer Flächenkunst, Zweckmäßigkeit, Materialgerechtigkeit sahen sie nicht nur bei den Engländern, sondern auch bei den Japanern verwirklicht. In ihrem 1905 herausgegebenen Arbeitsprogramm war die "Zweckmäßigkeit" der Produkte eine vorrangige Zielsetzung, denn: "Wir gehen vom Zweck aus, die Gebrauchsfähigkeit ist unsere erste Bedingung".
Die Erzeugnisse der Wiener Werkstätte wurden durch Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert und erlangten in kurzer Zeit großen Bekanntheitsgrad. Sie wurden 1904 im HohenzollernKunstgewerbehaus in Berlin, 1905 in der Galerie Miethke, den von der abgespalteten Klimt-Gruppe verwendeten Ausstellungsräumlichkeiten in Wien, ausgestellt, 1906 in London und 1908 bei der Kunstschau in Wien gezeigt. Die Wiener Werkstätte erhielt Internationalität durch die Gründung von Verkaufsniederlassungen im Ausland, so 1917 in Zürich, 1922 in New York und 1929 in Berlin.
Ihre Produkte haben bei der interessierten Bevölkerung speziell wegen ihrer Einfachheit und Modernität großen Anklang gefunden, wurden jedoch nicht wirklich verstanden und nur von einem Teil des Großbürgertums gekauft. Das "Gesamtkunstwerk", welches den Künstlern der Wiener Werkstätte als Traum vorgeschwebt war, konnten sie 1905-1911 verwirklichen. Dies allerdings nicht in Wien, sondern im entfernten Brüssel, nachdem Baron Adolphe Stoclet der Wiener Werkstätte den Auftrag erteilt hatte, für ihn ein Palais zu errichten.
Die lange Bauzeit ist auf immer wiederkehrende finanzielle Schwierigkeiten der Wiener Werkstätten zurückzuführen und auch auf die Tatsache, dass 1907 die Ausführung des Auftrages der Ausstattung des legendären Kabaretts "Fledermaus" zu bewerkstelligen war. Und wieder hat eine Vielzahl der Künstler, die für die Wiener Werkstätte gearbeitet haben, ihren Beitrag geleistet, angefangen von dem Design des Mobiliars durch Josef Hoffmann über die Majolika-Auskleidung von Berthold Löffler und Michael Powolny bis zu der Gestaltung der Plakate und Programmhefte von Carl Otto Czeschka, Berhold Löffler, Moritz Jung und vom jungen Oskar Kokoschka.
Auch das Buch war ein wichtiger Wirkungsbereich der Wiener Werkstätte. Im Arbeitsprogramm ist darauf folgendermaßen Bezug genommen worden: "Der gute Einband ist vollkommen ausgestorben. Der hohe Rücken, das Heft mit Draht, der unschöne Schnitt, die schlecht gehefteten Blätter und das schlechte Leder sind unausrottbar. Der sogenannte Originalband, d.h. der fabriksmäßig hergestellte, mit Klischees reich bedruckte Umschlag ist alles, was wir besitzen. Die Maschine arbeitet emsig und füllt unsere Bücherkästen mit mangelhaft bedruckten Werken: ihr Rekord ist die Billigkeit. Doch sollte jeder Kulturmensch sich dieser Materialfülle schämen, denn einesteils bringt die leichte Herstellbarkeit eine geringere Verantwortlichkeit mit sich, während andernteils die Fülle zur Oberflächlichkeit führt. Wie viele Bücher sind wirklich die unseren? Und sollte man diese nicht in ihren besten Hüllen, auf bestem Papier, in herrlichem Leder gebunden, besitzen? Sollen wir vergessen haben, dass die Liebe, mit der ein Buch gedruckt, ausgestattet und gebunden wurde, uns in ein ganz anderes Verhältnis zu demselben bringt, dass der Umgang mit schönen Dingen uns selbst verschönt? Ein Buch soll als Ganzes ein Kunstwerk sein und muss dessen Wert als solches bemessen werden." Welch ein Bekenntnis zu dem übergeordneten Wesen des Buches, eine eindringliche Mahnung an die Qualität des Ganzen, von wo es zu einem wichtigen Detail im Buche, dem Exlibris, nicht mehr weit ist.
Der Werkstättenbetrieb verfügte über einen eigenen Verlag, der beispielsweise 1908 Kokoschkas Dichtung "Die träumenden Knaben" mit acht farbigen Lithographien herausgebracht hat. Desgleichen wurde auch die berühmte und heute Spitzenpreise erzielende Postkartenserie, die an die tausend Einzelnummern zählt, verlegt, und viele Künstler, wie Egon Schiele, Rudolf Kalvach, Ludwig Heinrich Jungnickel, Richard Teschner oder Josef von Divéky haben sich daran beteiligt. Auch andere unwichtig scheinende Dinge des täglichen Lebens wie Bilderbögen, Tisch- und Menükarten oder Weinflaschenetiketten wurden hier verlegt. Der Schritt von diesen gebrauchsgraphischen Produkten zum Exlibris wäre naheliegend gewesen.
Dieser wurde jedoch interessanterweise nicht getan. Es ist kein Universal-Exlibris des Verlages der Wiener Werkstätte bekannt, was zu einem bestimmten Grade dennoch verständlich ist. Die potentielle Käuferschicht war finanziell so gut gestellt, dass sie sich ein individuelles Namens-Exlibris eines wichtigen Künstlers leisten konnte und ein Massenprodukt nicht annehmen würde. Der Hauch des Massenprodukts lastete dem Exlibris an, das durch die Überfülle an Blättern, die von Künstlern der dritten und vierten Reihe und von Sonntags-Graphikern zu dieser Zeit angefertigt wurden.
Die Exlibris-Künstler
Das Reservoir an Künstlern, aus dem die Wiener Werkstätte geschöpft hat, war vor allem die Wiener Kunstgewerbeschule, die dem Österreichischen Museum für Kunst und Industrie angeschlossen war. Das Museum wurde 1864 gegründet, die Schule 1867 angeschlossen. 30 Jahre später wurde die Schule einer Reform, die sie zu einer der fortschrittlichsten Kunstschulen auf dem Kontinent machte, unterzogen. Diese Reform ist möglich geworden, da das Kuratoriumsmitglied, der Architekt und Professor an der Wiener Akademie, Otto Wagner, der Überzeugung war, dass die "Kunst im Handwerk" gefördert werden müsse. Durch eine Abgrenzung zur elitären Akademie müssten Lehrkräfte an die Schule berufen werden, die Vertreter eines modernen Typus sind, und sich der Bedeutung eines "Nutzstils" und des "konstruktiven Prinzips" bewusst sind. Dies hatte zur Folge, dass eine ganze Generation von Lehrern der Schule ausgetauscht und durch "Sezessionisten" ersetzt wurde. Zum Direktor wurde Felicien Freiherr von Myrbach ernannt und zu Leitern der Meisterklassen Kolomann Moser, Josef Hoffmann und etwas später Alfred Roller berufen. Durch den Zustrom von Studenten aus den verschiedenen Völkern der Monarchie konnten sie über eine Fülle an Talenten verfügen, die schon während der Studienzeit oder knapp danach von ihren Lehrern zur Mitarbeit in der Wiener Werkstätte vermittelt wurden. Während des Bestehens der Wiener Werkstätte - bis 1932 - haben an die 200 Künstler mehr oder weniger wichtige Beiträge zum Sortiment der Firma beigetragen und sich so eine wertvolle Referenz geschaffen.
Noch während ihrer Ausbildung sind die Studenten mit dem Exlibris konfrontiert worden, und die Kunstgewerbeschule - heute ist sie die Hochschule für angewandte Kunst - hat immer wieder Exlibris-Wettbewerbe veranstaltet.
Alfred Roller berichtet im ÖEG Jahrbuch 1910 über einen solchen Wettbewerb, der von Dr. von Brücke gesponsert worden ist, mit dem Resultat von 15 radierten Blättern zur Auswahl. Gewinner war Franz Renner der Fachklasse für Malerei des Kolo Moser. Auch Josef von Divéky und Rudolf Kalvach haben sich an diesem Wettbewerb mit Entwürfen beteiligt und später in ihrer künstlerischen Laufbahn auch wiederholt Exlibris geschaffen.
Durch die Vielzahl und das weite Spektrum der künstlerischen Aufgaben, denen sich die Künstler der Wiener Werkstätte in der Praxis gewidmet haben, ist für das Exlibris nur wenig Zeit geblieben. So ist das Exlibris - Oeuvre der Wiener Werkstätten-Künstler nur sehr beschränkt, und keiner kann eigentlich als Exlibris-Künstler im herkömmlichen Sinn eingestuft werden. Aus diesem Grunde sind die Exlibris, die man Künstlern der Wiener Werkstätte zuschreiben kann, von Seltenheitswert. Ihnen haftet das Flair der Exoten in einer Exlibris-Sammlung an. Sie unterscheiden sich von den anderen Blättern durch die Motivwahl, die Ornamentik, und auch die Drucktechnik. Das zeichnerische Element überwiegt, das Flächenhafte tritt in den Vordergrund, und die Neigung, Körperlichkeit auszudrücken, wird unterspielt oder vollkommen negiert. Bei den Motiven überwiegen figurale Darstellungen, wobei diese klar in den Mittelpunkt gerückt werden.
Symbolik oder Landschaften spielen eine untergeordnete Rolle. Das Ornamentale, sei es in der strengen geometrischen Form wie bei Dita Moser, oder mehr verspielt und frei wie bei Dagobert Peche ist eine wichtige Gemeinsamkeit in den Bucheignerzeichen. Dies setzt sich vor allem in der Schrift fort, die prägnant und oft dominant in das Blatt gesetzt wird, mit einem ungeheuren Einfallsreichtum, welcher auch zu theoretischen Überlegungen führte und Künstler auf den Plan rief, die sich nur der Schrift und ihrer Theorie widmeten. Das Zeichnerische in den Blättern bedingt auch die Technik der Reproduktion. Die Blätter werden meistens als Klischee vervielfältigt oder lithographisch ausgeführt. Die traditionellen Tiefdrucktechniken werden nicht angewendet.
Das wohl meistzitierte Exlibris in diesem Zusammenhang ist das Blatt für Fritz Waerndorfer, gezeichnet von Kolo Moser (Wien 1868-1918). Moser studierte an der Wiener Akademie und an der Kunstgewerbeschule, wo er 1900-1918 auch Professor war. Er war Mitbegründer der Wiener Sezession und mit zahlreichen graphischen Beiträgen Mitarbeiter der Zeitschrift "Ver Sacrum". Er war sicherlich einer der vielseitigsten und begabtesten Künstler Wiens um die Jahrhundertwende, wobei auch sein Organisationstalent hervorzuheben ist.
Seine Bedeutung liegt darin, dass er frühzeitig die Gefahren der malerischen Tendenzen für die angewandten Künste erkannte und eine Besinnung auf die Einfachheit, Echtheit und betonte Zweckmäßigkeit in Anlehnung an architektonische Vorbilder predigte. Diese Vorbilder waren Otto Wagner und sein Kollege Josef Hoffmann. Die Durchsetzung seiner Ideen im konservativen Wien war mit Kampf verbunden, doch durch die tatkräftige Schützenhilfe der Sezession ist sie ihm gelungen.
Der Kunsthistoriker Michael Pabst hat in seinem Buch "Wiener Grafik um 1900" dieses Exlibris wie folgt zu interpretieren versucht: "...die weibliche Trias ist auf Kolo Mosers "Exlibris für Fritz Waerndorfer" gleichaltrig jung. Hatte Klimt sich bei "Salve Saturne" an einem Plakat Mosers orientiert, so nimmt dieser nun eine Anleihe bei Klimt: seine Erdgöttin ist Klimts Kopf der Pallas Athene nachgestaltet: ein Stoffmuster aus konzentrischen Kreisen erinnert an das Dekor von Klimts Stoclet-Fries. Einen ungewohnten Anblick bieten die pfahlartigen Gewächse, die auf Mosers ExlibrisZeichnung vereinzelt aus dem Boden schießen. Kommt dem weitverzweigten Baum mit Blüten die Bedeutung des Lebensbaumes als Verbildlichung der früchtebringenden (weiblichen) Natur zu, so kann man diesen Pfählen einen phallischen Charakter nicht absprechen. Ihre Endungen sind aus zwei Spiralen gebildet, die, von zwei Seiten nach innen gerollt, einander berühren, ein Symbol, das, ähnlich dem Knotenpunkt der Kreisschlange, ein männliches und ein weibliches Element vereint. Im Gegensatz zum ausgreifenden Wachstum der Bäume und Pflanzen sind die Kräfte hier nach innen gekehrt. Diese Fixierung auf sich selbst kann auch auf psychischer Ebene als Narzissmus bezeichnet werden. Die Dominanz des Weiblichen auf Mosers Zeichnung durch die verführerische Attraktion der drei Grazien und die machtvolle Erdgöttin im Hinter- und Untergrund ausgedrückt, scheint hier ein Übergewicht zu bilden, das zu einer Fehlentwicklung des Männlichen führt. Narzissmus und Homosexualität des Mannes scheinen dieser Konstellation zu entspringen: sie könnten als Versuch der männlichen Psyche aufgefasst werden, dem Einfluss eines übermächtigen Weiblichen durch eine Abkoppelung zu entgehen."
Seine Frau, Dita Moser (Wien 1883-1968), geborene Mautner von Markhof, war ebenfalls Graphikerin und Entwerferin. Sie studierte an der Kunstgewerbeschule und trat für die Wiener Werkstätte durch den Entwurf von Kalenderblättern, Kinderspielzeug und einem Tarockkartenspiel in Erscheinung, welches in seiner geometrischen Klarheit den neuen Stil der Gebrauchsgraphik darstellte und Aufsehen hervorrief. Die Auflage war gering, die Verwendbarkeit durch die eigenwillige Kartengestaltung eingeschränkt und doch, vor allem bei den Spielkartensammlern, ein begehrtes Sammelobjekt.
Ihr Exlibris für Editha Mautner von Markhof, Baronin Sustenau, von 1907, ist ein gutes Beispiel für den Stil, in dem das Quadrat, das Grundelement Hoffmanns, eine wichtige Struktur darstellt. Eigentlich ist es ein modernes Wappen-Exlibris, zeigt es doch das Wappen der Industriellenfamilie Mautner von Markhof mit Turm, das Kleeblatt - auch heute noch auf ihren Produkten als Markenzeichen sichtbar - und den Wahlspruch "Fleiß und Wille", als auch das Wappenbild - den Bogenschützen - der Freiherren Sustenau von Schützenthal. Welch ein Unterschied zu den überladenen Exlibris eines Ernst Krahl, die zur selben Zeit entstanden sind!
Professor an der Kunstgewerbeschule und seit 1909 auch deren Direktor und ebenfalls Gründungsmitglied der Wiener Sezession war Alfred Roller (Brünn 1864-1935 Wien). Roller war eng mit dem Theater verbunden und hat anfangs Kostüme und Inszenierungen für das Kabarett "Fledermaus" entworfen, dann mit Max Reinhardt in Berlin zusammengearbeitet und unzählige Bühnenbilder angefertigt. Er war später Leiter des Ausstattungswesens der Wiener Staatstheater. Sein Exlibris für Fritz Oberndorfer von 1899 ist ein gutes Beispiel der Stilrichtung der frühen Sezessionisten. Es ist von Geist durchdrungen, vom Bildaufbau eine vollkommen ausgewogene Komposition, wobei "nicht die berufliche Tätigkeit, sondern die geistige Individualität des Besitzers sich im Exlibris vor allem manifestieren möge" (Alfred Roller).
Student an der Kunstgewerbeschule war ebenfalls Berthold Löffler (Nieder-Rosenthal bei Reichenberg, Böhmen 1874-1960 Wien). Er übernahm 1907 nach Carl Otto Czeschkas Abgang nach Berlin die Fachklasse für Malerei und die Werkstätte für Druckverfahren an der Kunstgewerbeschule und war bis 1935 dort Professor. Neben keramischen Arbeiten, die er zusammen mit Michael Powolny und der "Wiener Keramik" ausführte, widmete er sich vor allem weitgefächerten graphischen Aufgaben, angefangen von Buchillustrationen über den Entwurf von Postkarten und Plakaten bis hin zu Drucksorten-Entwürfen.
Löffler hat nur einige Exlibris geschaffen, darunter aber die beiden wichtigen und berühmten Blätter für Sigmund Freud und Arthur Schnitzler. Das Exlibris für seine Frau Melitta (geborene Feldkircher) ist ein besonders schönes Beispiel des einfachen, jedoch prägnanten Stils der Künstler um die Wiener Werkstätte. Seine Frau - oft Löfflers Modell - war selbst Künstlerin, wobei sie vor allem Stickereien, auch in Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte, entworfen und angefertigt hat.
Ein Schüler von Berthold Löffler an der Kunstgewerbeschule und zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn unter seinem Einfluß stehend, war Oskar Kokoschka (Pöchlarn 1886-1980 Villeneuve bei Montreux, Schweiz). Er ist in seiner Bedeutung als Maler, Graphiker und Literat weit über seine Lehrer und Kollegen hinausgewachsen. Für die Wiener Werkstätte hat er nur kurz, von 1907 bis 1909, gearbeitet und war Mitarbeiter bei der "Fledermaus"- Ausstattung, hat 15 Postkarten, Bilderbögen und vor allem das mit acht Lithographien ausgestattete Bilderbuch "Die träumenden Knaben" geschaffen, das großes Aufsehen erregt hat. Das Exlibris für Emma Bacher zeigt seinen expressionistischen, für damalige Verhältnisse in Österreich sehr ungewöhnlichen und revolutionären Stil. Dieses Blatt wurde schon im Jahrbuch der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft 1909 als ein Beispiel der Kunst Kokoschkas im Original beigegeben und mit viel Vorschußlorbeeren vorgestellt:"(Kokoschka) zählt noch nicht 23 Jahre und hat schon viel für seine Unsterblichkeit getan. Er wirkt in verschiedenen Künsten und die Malerei ist keineswegs das einzige Gebiet seiner Tätigkeit. Die überaus magere Frauengestalt, die wir aus seinem blutroten Plakat der Kunstschau - (1909) - kennen, hat sich auf dem vorliegenden Exlibris verdreifacht. "In die Ecke, Besen, Besen..." Vielleicht werden wir diesen Zauberlehrling noch einmal als alten Meister verehren!" Kokoschka ist alt geworden, hat uns jedoch nur acht Exlibris hinterlassen, wobei fünf als Drucke bekannt sind, drei nur als Entwürfe.
Die obige Beschreibung bezieht sich auf das Exlibris für Emma Bacher. Sie war die Gattin des Wiener Juweliers und finanzkräftigen Kunstmäzens Paul Bacher, der 1904 die Galerie Miethke gekauft hat, um die von der Sezession abgespaltene Klimt-Gruppe aufzunehmen und ihr einen Ausstellungsort zu bieten. Nach dem Tod Paul Bachers hat Emma Bacher 1907 die Führung der Galerie übernommen und den Kontakt zu den Künstlern der Galerie (Gustav Klimt, Kolo Moser, Alfred Roller, Emil Orlik u.v.a.) weiter gepflegt. So ist auch der Kontakt zu Oskar Kokoschka zustandegekommen.
Durch Emma Bacher war die Verbindung zu Richard Teschner (Karlsbad 1879-1948 Wien) hergestellt, dessen Frau sie 1911 wurde. Richard Teschner, der an der Kunstakademie in Prag und im Jahre 1900 kurz an der Kunstgewerbeschule in Wien studierte, ist vor allem durch seine Beschäftigung mit Marionetten und durch die Schaffung des "Figurenspiegels" bekannt geworden, einer Marionettenbühne nach ostasiatischem Vorbild, die noch heute im Wiener Theatermuseum im Palais Lobkowitz Vorstellungen gibt und seine Spieltradition fortsetzt.
Teschners Übersiedlung nach Wien im Jahre 1909 ist mit dem Beginn seiner Tätigkeit für die Wiener Werkstätte eng verknüpft. Sie umfaßt Beiträge zur Postkartenserie, Plastiken, Metalltreibarbeiten und 1909 die Illustration des Kinderbuches "Tobias Immerschneller" von Antoinette Kahler. Teschner, der durch die Heirat mit Emma Bacher seiner finanziellen Probleme enthoben war, schloss sich der oben erwähnten Klimt-Gruppe an, doch stand er dieser reserviert gegenüber, da er sich mit dem Geist scheinbarer revolutionärer Freiheit nicht identifizierte. Für ihn war das Ganze mit zu vielen dogmatischen Doktrinen durchsetzt. Er blieb seinem Stil treu, der mehr figurativ ist, mit verspielter Ornamentik und voll grotesken und phantastischen Inhalts.
Wie viele seiner Künstlerkollegen kann Richard Teschner auch als Allround-Künstler bezeichnet werden, dem keine Technik und kein Ausdrucksmittel fremd war. Vom Maler-Graveur und Kostümschneider reicht seine Meisterschaft bis zum Lautenbauer, Bildhauer und Gobelinweber. Als Graphiker hat er in allen Techniken gearbeitet und neben freier Graphik, Buchillustrationen, Plakaten auch eine Vielzahl von Exlibris geschaffen. In seinem Nachlaß sind 79 Bucheignerzeichen aufgezählt, die zumindest durch sechs ergänzt werden müssen, die in der Nachlaßliste nicht enthalten sind. Das Blatt für Professor Arnold Eppstein (1904) ist eine Arbeit noch aus seiner Prager Zeit. Zwei schlanke, feine Assistenzfiguren flankieren ein Kranzmedaillon, in dem eine Mutter mit Kind dargestellt ist. Die Signatur RT im Kreise hat Teschner bis 1918 verwendet, dann nur noch ein Monogramm in Kreuzform mit Jahreszahl, die aber oft nicht gut leserlich ist. Gertrud Flöge, die Nichte der Frau Emma Teschner, war die Haupterbin des Nachlasses von Richard Teschner, dieser kam 1954 in die Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und wird seitdem dort aufbewahrt und in einem Gedenkraum ausgestellt.
Ein Zeitgenosse von Teschner war Anton Kling (Wien 1881 - 1963 Karlsruhe) der 1898 bis 1903 seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule bei Ludwig Minnigerode, aber vor allem bei Josef Hoffmann und Alfred Roller erfuhr. Kling gehörte der ersten Schülergeneration der modernen Lehrer der Anstalt an, die nach Abschluss ihres Studiums in der Wiener Kunstszene aktiv wurden. Aus dieser Schülergeneration gingen aber auch zahlreiche Künstler hervor, die als Lehrer nicht nur in die österreichischen Kronländer gingen, sondern auch ins benachbarte Deutschland, wo sie das spezifisch Wienerische vertraten und erfolgreich an ihre Schüler weitergaben. Dazu zählte Carl Otto Czeschka, der erste Wiener an der Kunstgewerbeschule in Hamburg. Er hat Richard Luksch dorthin mitgezogen, aber auch Franz Carl Delavilla, der neben Magdeburg 1909 auch in Hamburg eine Stelle als Kunstgewerbe-Lehrer angenommen hat. Josef Maria Olbrich wurde nach Darmstadt berufen und dort Mitbegründer der Künstlerkolonie, der sich 1911 auch der gebürtige Wiener Emanuel Josef Margold anschloss. Kling zog es 1908 - ebenfalls durch Czeschka vermittelt - nach Hamburg, 1923 nach Pforzheim, wo er dem Schmuckdesign Impulse gab, und 1927 nach Karlsruhe.
Anton Kling erhielt in seinem Abschlusszeugnis Anerkennung durch Josef Hoffmann mit dem Wortlaut "sein Talent und seine Findigkeit zeigten sich im Entwurf verschiedener architektonischer Aufgaben als hervorragend, ebenso sein Geschmack und seine Auffassung". Für die Wiener Werkstätte hat er als "dekorativer Mitarbeiter" bei der Ausgestaltung der "Fledermaus" mitgewirkt. 1908 war er maßgeblich an der Organisation der Wiener Kunstschau beteiligt und mit einigen Werken, darunter auch Exlibris, vertreten. Von seinen Exlibris sind 13 Blätter bekannt, wobei das frühe Blatt für die Malerin Magda Mautner von Markhof die ornamentale Komponente in Ausgewogenheit mit der Landschaftsdarstellung bringt. Einer der wenigen Künstler, die für die Wiener Werkstätte gearbeitet, jedoch nicht die Wiener Kunstgewerbeschule besucht haben, war Dagobert Peche (St. Michael im Lungau 1887-1929 Mödling bei Wien).
Er kam zum Kunstgewerbe über die Technische Universität in Wien, dann als Architekturstudent an die Akademie, die er 1911 verließ, um freischaffender Entwurfkünstler zu werden. 1915 berief ihn Josef Hoffmann in den Künstlerstab der Wiener Werkstätte, wo er sich mit seinem mehr von der verspielten Ornamentik durchsetzten Stil behaupten und entscheidende Impulse setzen konnte. Er gab wichtige Anregungen bei der Glas- und Keramikherstellung, beim Tapeten- und Stoffdruck, bei Schmuck-, Email-, Schildpatt- und Elfenbeinarbeiten und auch bei der Metall- und Goldschmiedekunst, so dass sein Stil bald die gesamte Produktion beherrschte. Durch den Export der Erzeugnisse der Wiener Werkstätte stieg auch Peches Bekanntheitsgrad im Ausland. Nicht zuletzt war Peche der Vertreter der Wiener Werkstätte in der Niederlassung in Zürich von 1916 bis 1918.
Ein Künstler, der ganz im Schatten Dagobert Peches stand, war Friedrich Skurawy (Paris 1894-1966 Wien). Er besuchte die Grafikklasse an der "Ecole des beaux Arts" in Paris und war ein junger, talentierte Xylograph, als er 1920 nach Wien kam. Er wurde Mitarbeiter der Wiener Werkstätte und Dagobert Peche zur Seite gestellt, um die Fülle der Ideen seines Vorgesetzten teilweise zu verwirklichen.
Skurawy hat sich mit Peches Stil so sehr auseinandergesetzt und identifiziert, dass er imstande war, nach einer nur ganz flüchtig hingeworfenen Skizze Peches einen ganz in seinem Geist und Stil empfundenen Holzschnitt auszuführen. Im selben Duktus fertigte er Spiegelrahmen, Kämme, Broschen, Tapeten Entwürfe und auch einige Exlibris an, die in der Literatur oft fälschlicherweise Dagobert Peche zugeschrieben werden. Das Blatt für Hugo Bernatzik ist in Medaillen-Form gehalten, wobei die Anordnung der Schrift mit dem Kreisrund verbunden, damals eine neue Idee dargestellt hat.
Noch ein Künstler soll im Zusammenhang mit der Wiener Werkstätte erwähnt werden: Es ist der Schriftkünstler Rudolf von Larisch (Verona, Italien 1856-1934 Wien). Dieser stand der Wiener Werkstätte von Anfang an in Sachen Schrift beratend zur Seite und das Schriftbild, das die Wiener Werkstätte in ihren Drucksorten, Einladungen, Bekanntmachungen usw. verwendet hat, geht auf seinen Einfluss zurück. Das oft verwendete und bekannte Firmenemblem der Wiener Werkstätte von 1903 und das Exlibris Larischs für Emma Radio von Radiis Pantolska zeigen das gleiche Erscheinungsbild, wobei das ineinandergeschobene Doppel-W selbst von Kolo Moser stammen dürfte.
Larisch übte seit 1902 seine Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule, an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt und an der Akademie aus und widmete sich sowohl der praktischen als auch der theoretischen Seite der Schrift. Zahlreiche grundlegende Abhandlungen darüber sind erschienen, so über die Schrift in der Kunst, Beispiele künstlerischer Schrift oder über die Leserlichkeit von ornamentalen Schriften.
Larisch war einer der wichtigsten Proponenten bei der Erneuerung der Schriftkunst. Durch die Entwicklung neuer Schriftbilder hat er neue Maßstäbe für die alltägliche Notwendigkeit der Schrift gesetzt. Die Lesbarkeit war eine Maxime; theoretische Untersuchungen, wie die Stellung der Buchstaben und Buchstabenenden zueinander und die Bedeutung der Buchstabenflächen untereinander, haben seine Theorien untermauert. Seine Lehre beinhaltet nicht nur das Entwerfen der Schrift, sondern vor allem die Förderung des Verständnisses für die neuen Buchstaben. Sein Verdienst war es, diese Sicht zu erweitern und durch Toleranz zur Akzeptanz im täglichen Gebrauch zu führen. Zwei Generationen von Schriftkünstlern bis hinein in die späten 20er Jahre haben seine Klassen besucht. Nicht zuletzt hat er in seiner Assistentin und späteren Frau, Hertha Ramsauer, eine Gefährtin gefunden, die neben seinen anderen wichtigen Schülern, wie Rudolf Geyer und Otto Hurm seine Botschaft - die Methode Larisch - auch in ihren Exlibris weitergetragen haben. Man könnte noch viele Künstler aufzählen, die einerseits für die Wiener Werkstätte Beiträge geleistet und andererseits auch Exlibris geschaffen haben. Alle hier zu nennen, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Eines muss jedoch festgehalten werden: der Stil, dem sich die Künstler um die Wiener Werkstätte verpflichtet fühlten, hat auch heute noch nichts von seiner Kraft und Geschmacksbildung verloren, ja mehr noch, diese Epoche beeinflusst auch gegenwärtig unser Stilempfinden nachhaltig und ist ein wichtiger Teil unserer Kulturidentifikation.
Literatur:
Heinz Adamek: Berthold Löffler, Graphics and Designs, Katalog: Austrian Institute, New York 1982
Astrid Gmeiner, Gottfried Pirhofer: Der Österreichische Werkbund. Alternative zur klassischen Moderne in Architektur, Raum- und Produktgestaltung, Residenz Verlag Salzburg, Wien 1985
Eventhia und Wolfgang Greissenegger, Oskar Pausch: Alfred Roller und seine Zeit, Katalog Österr. Theater Museum, Böhlau Verlag, Wien 1991
Josef Mayerhöfer: Richard Teschner, Puppenspieler - Sezessionistischer Künstler, Österr. Nationalbibliothek, Wien 1970
Wilhelm Mrazek: Leopold Forstner. Ein Maler und Material-Künstler des Wiener Jugendstils. Belvedere Verlag A. Hadwiger, Wien 1981
Waltraud Neuwirth: Anton Kling und sein Freundeskreis. Ein Wiener Künstler der Klimt-Gruppe in Wien, Hamburg, Pforzheim und Karlsruhe. Österr. Museum für angew. Kunst, Wien 1979
Michael Pabst: Wiener Graphik um 1900, Verlag Silke Schreiber, München 1984
Werner J. Schweiger: Wiener Werkstätte, Kunst und Handwerk 1903-1932. Edition Christian Brandstätter, Wien 1982
Werner J. Schweiger: Aufbau und Erfüllung. Gebrauchsgraphik der Wiener Moderne. Edition Christian Brandstätter, Wien-München 1988
Jahrbücher der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft, 1907; 1909; 1910; 1912; 1918; 1929; 1949/51
Bildnachweis:
Sammlung Scheffer, Wien