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Frauen machen Druck

Gedanken zum Weltfrauentag am 8. März

von Ursula Müksch

kollwitzEs geht uns, uns Frauen, in Europa ganz gut. Dieser Feststellung kann schwer widersprochen werden, glaube ich. Doch geht es uns allen gleich gut? Haben wir genug Druck ausgeübt, um unsere Anliegen – Gleichstellung in Beruf und Gesellschaft – zu erreichen? In Österreich bestimmt nicht, zeigt doch die Einkommensschere – Frauen verdienen noch immer deutlich weniger – die berufliche Schlechterstellung der Frau. Und die Bemühungen im gesellschaftspolitischen Bereich waren lange Konkurrenz für Sisyphos – eine rauf und zwei runter – erst im ausklingenden 20. Jhdt. und in jüngster Zeit sind wirkliche, bleibende Besserstellungen der Frauen erreicht worden.

Schaue ich aber über die Grenzen hinaus, so sehe ich weltweit eine Frauendiskriminierung in unvorstellbarem Ausmaß, besonders in den Ländern der sogenannten Dritten Welt. Und das sind bei mir vor allem die Länder, die ihren Kindern keine Ausbildungsmöglichkeit bieten. Einer der Ansätze zur Lösung dieser himmelschreienden Zustände kann und muß bei den Frauen selbst gefunden werden. Voraussetzung dazu ist aber eine Grundbildung der breiten Masse! Aber wie soll das funktionieren, wenn der Zugang zu dieser lebensnotwendigen geistigen Nahrung verwehrt ist? Der Hungertod hat viele Facetten. Selbst in sogenannten demokratischen Gesellschaften ist der Bildungszugang nicht immer einfach, aber in einigen Ländern mit bestimmter religiöser Prägung wird die Frau immer mehr unterdrückt und bereits im Kindesalter von der Schule ausgeschlossen, und das trotz einer Frauenbewegung seit mehr als hundert Jahren. Die bekannten Forderungen, am ersten "Internationalen Frauentag" 1908 in Amerika zum ersten Mal weltweit propagiert, sind zum großen Teil noch immer Visionen.

Wie sieht sich aber die junge, ehrgeizige Künstlerin in ihrem Umfeld? Wie kann sie diesem Erfolgsdruck standhalten ohne ihre künstlerischen Visionen und Ziele zu verlieren? Wie kann sie sich in einer Welt, die fast ausschließlich auf Gewinnmaximierung und Rationalisierung ausgerichtet ist, behaupten?

kollwitzWo offen und ungeniert eine Verfestigung des Geldflusses von unten nach oben betrieben wird, wo Millionenabfindungen für Bosse der Konzerne selbstverständlich sind, aber Mahnungen zum Sparen und Lohnverzicht bei den ArbeitnehmerInnen ungeniert eingefordert werden. Dieser Hort der Geldmacht und ihre Konzerne stellen aber nur 1 % der Arbeitsplätze weltweit zur Verfügung. Die Leidtragenden dieser Diskrepanz sind wie immer die armen Schichten, Frauen und Kinder und natürlich die Künstler sowie die Kunst im Allgemeinen. In dieser Verflechtung von Macht, Käthe Kollwitz: Exlibris für den Sohn Hans, RadierungGeld und Willkür ist auch das Leben der Künstler bedroht.

Wieso griff die Weltgemeinschaft nicht ein, als ein Dichter, der sich dem freien Wort verschrieben hatte, dem Regime in seiner Heimat daher unangenehm wurde, einfach hingerichtet wurde? Weil Wirtschaftsinteressen, sprich Öl, vorrangig waren? Wo bleibt das Engagement der Mächtigen für Menschen in unbefriedeten Gebieten, wo es nichts zu holen gibt, sprich Öl? Wieso wehrt sich Europa nicht mehr gegen den neuen Futurismus in gewissen Ländern? Marinettis Manifest aus dem Jahre 1909 könnte fast unverändert für das derzeitige politische Treiben in gewissen Staaten der Welt angewendet werden: Unter Punkt 9 heißt es: “Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen für die man stirbt und die Verachtung des Weibes“. Nun, das kommt uns sehr bekannt vor, denn wo ist die Frau am meisten unterdrückt – doch in den totalitären Regimen, und da wieder besonders in den fanatisch-religiös geprägten Ländern. Dort wird Tod, Verwüstung, Kulturvernichtung unter dem Decknamen „Heiliger Krieg“ ungeniert praktiziert und die Welt schaut hilflos zu. Jahrtausende alte Kulturzeugnisse fallen dem Fanatismus zum Opfer, die Geschichte wiederholt sich immer wieder!

Woher kommt noch immer der, wenn auch zugegebener Maßen nicht mehr ganz so große Druck aus der Gesellschaft auf uns Frauen, nicht allzu sehr aus dem konservativen Rollenbild zu fallen. Wird dieser Druck nun angesichts der politischen Veränderungen wieder größer, vielleicht zum Überdruck? Ist der erforderliche Gegendruck groß genug, dann kann dieses instabile Gleichgewicht eine Wirklichkeit vortäuschen wie sie real nicht besteht. Ventilmechanismen treten auf und so kam es auch leider dazu, dass sich übereifrige Frauenrechtskämpferinnen selbst ins Abseits stellten.

Doch in der Regel zeigt das weibliche Geschlecht heute keine großen Kämpferambitionen. Die Zeit der Suffragetten ist vorbei, viel wurde anscheinend erreicht, gefestigt ist nichts, ein neuer Feminismus ist angesagt.

kollwitzUnd wieder sind es vor allem die bildenden Künstlerinnen, die sich hier einbringen können, sollen und müssen, in diesen „Post-Feminismus“. Sie können sich mit künstlerischen Mitteln wehren gegen die Abhängigkeit von Machtsystemen, Tabus und den eigenen psychischen Limitierungen, der eigenen weiblichen Sexualität. Sie bekennen sich zur Gleichwertigkeit der Geschlechtlichkeit.

Auch die Kirche könnte einen weiteren Ansatzpunkt für eine bessere Entwicklung der Frauengleichstellung bieten, nämlich eine Anerkennung und Gleichstellung der Frau in allen Bereichen der Kirche, eine gelebte Gleichberechtigung vor Gott, ein gelebtes Wort Gottes. Aber dieses Thema ist so provokant wie alt und unlösbar, solange diese männliche Hierarchie nicht eine unheilbare Krankheit beziehungsweise Verwundung erleidet. Bis auf kleinere Erkältungen, in letzter Zeit auch heftige, selbst verschuldete akute Attacken, ist dieser Moloch noch sehr immun.

Gerade weil die sogenannte Durchschnittsfrau in der Regel wenig Möglichkeiten hat sich zu wehren – sie läuft in der Alltagsroutine und in der sehr oft fast unvereinbaren Bewältigung von Familienbetreuung und Beruf, der Resignation entgegen – ist das künstlerische Potential der Frau aufs Neue gefordert, das uns ja nun bereits zugesprochen ist. Denn die Künstlerin hat ungeahnte aber leider sehr oft ungenutzte Möglichkeiten, um die Missstände aufzuzeigen, anzuprangern, sichtbar zu machen.

Noch 1922 sah man die Sache anders und der bekannte Kunstkritiker Arthur Roessler entblößte sich als Ignorant der gesellschaftlichen Entwicklung durch die Aussage ...“daß die Frau als Künstlerin, ebenso wie als Weib, vom Manne befruchtet werden muß, wenn sie hervorbringen, gebären will und soll. Was sie als Weib gebärt, ist des Mannes Kind, und was sie als Künstlerin hervorbringt, ist des Mannes Kunst“... Bedenkt man, daß diese aggressiven verbalen Attacken gegen die Frauen im Zuge einer Recension über die Künstlerin Tina Blau geschrieben wurden, so drängt sich mir der Verdacht auf, daß nicht nur die Angst vor dem Verlust der Vormachtstellung des Mannes in vielen Bereichen, sondern auch vielfach blanker Neid auf das künstlerische Potential der Frauen und langsam aber sicher auch die Erkenntnis der eigenen männlichen Defizite zu diesen abstrusen Theorien führte.

hermineHedwig Dohm hätte Herrn Roessler wohl unter die Herrenrechtler eingereiht, sie hat bereits 1902 in Deutschland das Werk –„Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung“ – veröffentlicht und darin vier Gruppen von Antifeministen beschrieben, darunter auch den Herrenrechtler, der aus Angst davor, von der Frau unterdrückt zu werden, durch Betonung seiner Oberhoheit seine Schwächen zu vertuschen sucht.

Diese Chance, mit Ihrer Kunst Missstände aufzuzeigen, aufzuklären, auf die Gesellschaft Druck zu machen, nutzten um die Jahrhundertwende 1900 bereits drei Grafikerinnen, Druckkünstlerinnen, an die ich kurz erinnern möchte. Käthe Kollwitz, die uns allen bekannte Kämpferin, die das Leid und Elend so ergreifend und dramatisch mit ihrer grafischen Technik festhielt und eine Bildsprache fand, die phonetisch nicht eindringlicher sein hätte können. Kaum bekannt ist aber Hermine Heller-Ostersetzer, auch „Österreichische Kollwitz“ genannt, die in ihrem lithografischen Zyklus „Das Leben der Armen ist bitterer als der Reichen Tod“ eine Darstellung des Elends in der Arbeiterschaft um 1900 gab, das realistischer auch mit Worten nicht beschrieben werden könnte. Ein Plakatentwurf von ihr wurde auf Betreiben der Damen des Kaiserhauses wegen zu realistischer Darstellung abgelehnt.

Und hier schließt sich der Kreis, denn diese Nichtsolidarisierung mit dem eigenen Geschlecht hat wieder in der Unterdrückung der Frau ihren Ursprung, wobei natürlich im Kaiserhaus noch besonders das Wegschauen und Ignorieren der sozialen Missstände, insbesondere der schlechten Lage der Frauen, hinzukommt.

rethNicht unerwähnt möchte ich Lilli Rethi lassen, bei der der Ausspruch Pablo Picassos – "Kunst ist Arbeit" – in physischer und psychischer Weise zutrifft, sie scheute sich nicht, stundenlang untertags zu Zeichnen, um die Welt der Arbeiter, der Maschinen festzuhalten. Der Lithografie-Zyklus Germinal (eine Illustration zu Balsac) zeigt Blätter von erschütternder Echtheit. Daneben entführte sie uns aber auch in eine Welt der Visionen, nahm bereits im Jahre 1922 das moderne Stadtbild voraus.

So wie die oben erwähnten Grafikerinnen – Druck erzeugende Frauen im doppeltem Sinn – gleichsam Kritiker und Zeugen ihrer Zeit waren, so gab es auch Künstlerinnen, die durch ihr malerisches Werk Chronistinnen ihrer Zeit waren, wie zum Beispiel Jeanne Mammen. Sie hat durch hunderte Einzelblätter quasi eine malerische Chronik der 20iger Jahre, ihrer Umwelt verfasst, die durch ein Arbeitsverbot unter den Nazis abrupt beendet wurde.


Da das Leben zu schön und kurz ist um zu resignieren, möchte ich den Frauen eine kleine Geschichte auf den Weg mitgeben, um sie wieder einzuschwören auf Einigkeit und Siegesgewissheit. Sie handelt von der Erschaffung der Frau:

Gott und Luzifer hatten je ein Geschöpf geschaffen, Gott ein gutes und schönes, Luzifer ein böses und hässliches.

Gott nahm einen großen Mixbecher, gab die beiden Geschöpfe, Seines und das Luzifers, hinein und schüttelte das Ganze. Und als er den Becher wieder öffnete, war nur mehr ein Wesen darin. Es war gut und böse, schön und hässlich zugleich, seine Eigenschaften und sein Aussehen wechselten wie in einem Kaleidoskop je nach Stellung, Lage und Art des Beschauers.

"Das, mein Lieber, ist die Frau und die Krone der Schöpfung", sagte Gott. "Ich finde sie gut. Sie wird dem Manne einiges aufzulösen geben, wie es der Schöpfung entspricht." Er hauchte ihr Seinen lebendigen Odem ein.

Und so entstand die Frau.

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