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Detektiv Zufall hilft beim Identifizieren eines
K.J. OBRATIL-Exlibris

von Ing. Michael Gryksa


Im Jahr 2009 wurde von Peter RATH im Künstlerhaus in Wien eine sehr engagierte Ausstelllung gezeigt: eine thematische Auswahl aus seiner sehr umfangreichen Exlibris-Sammlung zu seinem „60-er''. Neben einer Vielzahl von Blättern, befand sich ein Blatt, welches mich ganz besonders faszinierte - ohne vorerst genau zu wissen warum.
Es war ein Exlibris für K. J. OBRATIL (1866-1945), den tschechischen Volkskunde-, Erotika- und Exlibris-Sammler aber auch Exlibris-Künstler. Den Namen kennen heute nur noch wenige.

Das Blatt zeigt ein Zimmermädchen, das Bücher auf einem Tablett serviert, dabei ausrutscht und erschrickt.
Das Blatt selbst ist in der Exlibris-Literatur sowohl Karel SIMUNEK als auch K. J. OBRATIL als Entwerfer zugeschrieben. Jedoch ist mir bis dato noch kein vom Künstler handsigniertes Exemplar begegnet, was eine zweifelsfreie Zuordnung zuließe.
Irgendwie kam mir das Blatt bekannt vor und ich begann mit meinen Recherchen.

Dabei half mir der Zufall weiter ... Beim "Googeln" im Internet entdeckte ich auf einem Internetportal über amerikanische Künstler ein mir sehr bekanntes Motiv - ein Zimmermädchen mit einem Tablett in akrobatischer Pose durch die Luft wirbelnd - allerdings fielen vom Tablett diesmal nicht Bücher, sondern Kaffeeschalen und -teller (Abb. 2).
Ich erkannte, dass es sich dabei um das gleiche Motiv wie bei dem K. J. OBRATIL-Blatt handelt, mit nur geringen thematischen Anpassungen.
Als Künstler für diese Arbeit war Enoch BOLLES angegeben. Dieser Name war mir neu.
Bei weiterem Nachsuchen wurde ich dann fündig. Enoch BOLLES war einer der Mitbegründer der Pin-Up-Kultur in den USA. Er lebte von 1883-1976 und zeichnete von 1922 bis 1945 die Titelblätter der bekannten und weit verbreiteten Film-Zeitschrift FILM-FUN. Dieses Magazin erschien monatlich.

Im Mai des Jahres 1937 zierte das Zimmermädchen mit dem Tablett das Cover dieser Zeitschrift. Im Originalentwurf ist sogar noch ein Filmscheinwerfer im Vordergrund, der als möglicher Verursacher für das Erschrecken des Mädchens in Frage kommt. (Abb. 3)

Somit konnte der Künstler des OBRATIL-Exlibris eindeutig identifiziert werden. Dieser Zusammenhang ist für die meisten Sammler sicherlich neu. Das Titelblatt der Zeitschrift ist als Farbabbildung dargestellt.
In diesem Zusammenhang ist mir noch ein Blatt von Luis Suazo MALLOL aufgefallen. Dieses Blatt zeigt die gleiche Situation spiegelbildlich und vor einem Bücherschrank - im Vordergrund ein alter "Sammler". Dieses Exlibris existiert zumindest in zwei verschiedenen Drucktechniken und Farben (Abb. 4 und 5)
Vergl.: EROS INTIME. L'árt de l'exlibris erotique, 2002, 240 S. (Abb. Seite 156)
.
Abb.1
Abb.2
Abb.3
Abb.4
Abb.5
Ein letzter Puzzlestein vervollständigte das Bild, als ich eine umfangreiche K. J. OBRATIL-Sammlung erwerben konnte. Neben vielen anderen raren Blättern befand sich darin auch eine Bestands- und Tauschliste von K. J. OBRATIL.

Als Nummer 69 auf dieser Liste wird für das Jahr 1937 folgendes vermerkt: 69. Bolles E., Londyn, aut, 7937, 730:96 a 700:73, (pro knihy humor). Was soviel bedeutet wie: Das 69. Exlibris für K. J. OBRATIL wurde von E (Enoch) BOLLES aus London(?) in der Technik einer Autotypie im Jahre 1937 in zwei verschiedenen Formaten gedruckt (130x96 mm und 100x73 mm).

Beide Blätter befinden sich mittlerweile auch in meiner Sammlung. Ich würde mich freuen, wenn andere Sammler von K.J.O.-Blättern mit mir in Kontakt treten, da ich geplant habe, diesen interessanten Sammler und Künstler näher zu beschreiben und zu dokumentieren.
Gesucht werden Blätter, die auf den Namen von K.J.O. (OBRATIL) gemacht wurden, aber auch Blätter, welche K.J.O. für andere Eigner als Grafiker geschaffen hat.

Eine entsprechende kleine Publikation ist in Arbeit.

 

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