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Der Künstler und seine Mäzene

Unbekannte Exlibris und Exlibrisentwürfe von Josef Hoffmann für Otto und Mäda Primavesi

von Alexandra Smetana u. Claudia Karolyi

I. Echt modern — Die Rezeption der Exlibris von Josef Hoffmann in der Fachliteratur

Josef Hoffmann, Professor, Architekt; 2 Exlibris, davon ein echt modernes Exlibris Alma Schindler, Wien, 1901, meldete Karl Emich Graf zu Leiningen-Westerburg kurz und bündig in seinem 1901 erschienenen Verzeichnis Deutsche und österreichische Bibliothekzeichen Exlibris 1. Dasselbe Blatt listet Eduard Dillmann zwei Jahre später in der ersten Publikation der Österreichischen Ex libris-Gesellschaft unter den Neuerscheinungen auf: Hoffmann, Josef, Wien: Alma Schindler (nunmehr verehelichte Mahler).2

Den österreichischen Exlibristen der ersten Stunde ist allerdings schon zu Beginn ihres löblichen Unternehmens, sich in ihren Veröffentlichungen der Erforschung und Hebung der heimatlichen Ex libris-Schätze widmen und den Neuerscheinungen auf dem Ex libris-Gebiete in Österreich ihr Augenmerk zuwenden 3 zu wollen, ein weiteres Exlibris von Josef Hoffmann entgangen, das 1903 im Ver Sacrum präsentiert und in der Zeitschrift für Bücherzeichen — Bibliothekenkunde und Gelehrtenkunde des Berliner Ex-libris-Vereines unter Verschiedenes mit folgenden Worten kommentiert wurde: Neuerdings beachtet auch das Wiener "Ver sacrum" die Exlibris-Zeichnung; es bringt in Heft 7 und 8 von 1903 zwei Exlibris — natürlich stark secessionistisch — "F. M." von Josef Hoffmann (Figuren à la Macintosh) und eines von Minka Podhajska-Wien (krähender Hahn bei Sonnenaufgang).4

Die österreichische Gesellschaft hat dem kleingraphischen Schaffen von Josef Hoffmann erst 1953 wieder ihr Augenmerk zugewendet. Eine Abbildung von Hoffmanns Eigenblatt J H beschließt in der Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Vereines den von Rudolf Hoschek-Mühlhaimb verfaßten Beitrag "Zur Geschichte der österreichischen Kleingraphik seit 1900"5. In dem dreizehnseitigen Aufsatz, der, wie der Autor selbst kritisch vermerkt, nur etwas mehr als eine flüchtige Skizze darstellt 6, erwähnt Mühlhaimb zwar, daß besonders in Österreich die Abkehr vom Historismus sich in stürmischen Suchen nach neuen Formen in schöpferischer Weise äußerte, was sich organisatorisch 1898 [sic!] in der Gründung der Künstlervereinigung Wiener Secession äußerte 7, betont aber, eine Würdigung des Exlibris-Schaffens dieser Vereinigung sei hier aus Platzmangel nicht zu leisten und er müsse sich auf die Erwähnung einiger Künstler beschränken.

Hoffmann wird in dieser Aufzählung mit Koloman Moser und Alfred Roller als glänzendes Dreigestirn, das Wiener Kunstruhm in alle Welt hinausgetragen habe 8, „erledigt“ und festgestellt: Es ist angesichts der bekannten Bedeutung dieser Künstler nur noch zu betonen, daß ihre Exlibris und Kleingraphiken vielleicht in erster Linie den Typus der modernen Gebrauchsgraphiken, insbesondere durch die ornamentale Behandlung, schufen 9. Nach der Auflistung einiger Absolventen der Kunstgewerbeschule bzw. Künstler, die für die Wiener Werkstätte gearbeitet haben, schließt Mühlhaimb seine knapp zweiseitige Einschätzung der Wiener Moderne: Zusammenfassend darf man sagen, daß Sezession und Wiener Werkstätte in Verbindung mit den Baukünstlern und Plastikern der Sezession Wien den Stempel der Moderne aufgedrückt haben, und von diesem Standpunkte des "Neuen" soll auch ihre kleingraphische Kunst gewertet und gewürdigt werden. 10

Es ist Heinrich R. Scheffer zu verdanken, daß die Österreichische Exlibris-Gesellschaft vierzig Jahre später, in ihrem Jahrbuch 1992/1993, erstmals wieder einen Blick auf die graphische Kunst der Wiener Jahrhundertwende und Zwischenkriegszeit wirft. Scheffer beschreibt in seinem Aufsatz Die Wiener Werkstätte und ihre Exlibriskünstler 11 nach einer kurzen Einführung in die Programmatik und Geschichte der, wie die Exlibris-Gesellschaft, 1903 gegründeten Productivgenossenschaft von Kunsthandwerkern in Wien die Exlibris von Kolo und Ditha Moser, Berthold Löffler, Oskar Kokoschka, Richard Teschner, Anton Kling, Dagobert Peche, Friedrich Skurawy und Rudolf von Larisch.

Warum finden auch in dieser Arbeit Josef Hoffmanns Exlibris keinerlei Erwähnung? Schließlich kann keiner der oben genannten Künstler als Exlibris-Künstler im engeren Sinn bezeichnet werden, sondern hat sich wie Hoffmann mit dem Exlibris nur als einen Aspekt des Gesamtkunstwerkes Buch beschäftigt. Aber obwohl Josef Hoffmann der Secession ursprünglich als Graphiker beitrat 12, im Ver sacrum nicht nur zahlreiche buchgraphische Entwürfe präsentierte, sondern 1898 mit Moser und Roller auch die Redaktion des Ver Sacrum leitete, wurde der Künstler bislang vor allem als Architekt und Kunstgewerbler rezipiert, während sein eminent graphisches Talent [...] niemals genügend gewürdigt 13 wurde. Darüber hinaus stützte sich Heinrich R. Scheffer bei der Besprechung der Exlibris-Künstler der Wiener Werkstätte vermutlich auf Exlibris der eigenen Sammlung und besitzt die raren Hoffmann-Blätter — das 1903 im Ver Sacrum vorgestellte Exlibris existiert ja quasi nur als Entwurf — nicht.

Das von Leiningen-Westerburg als echt modernes Exlibris bezeichnete und mit 1901 datierte Bücherzeichen für Alma Schindler (vgl. Abb. 1) wurde in zwei Farbvarianten — blau bzw. grün — gedruckt 14. Es spiegelt die für Hoffmanns graphische Arbeiten typische Formensprache um 1900 wider, und sein abstraktes, symmetrisches Linienornament weist verblüffende Ähnlichkeiten mit im Ver Sacrum15 publizierten Buchschmuckentwürfen Hoffmanns auf (vgl. Farbbild 2, 3). Sowohl das Bücherzeichen für Alma Schindler als auch die Entwürfe im Ver Sacrum vermitteln seine Freude am intuitiven Verfolgen einer Kurve16 bzw. legen wie andere erhaltene Zeichnungen Hoffmanns auch heute noch ein beredtes Zeugnis davon ab, daß er das Entwerfen von Ornamenten und Mustern als kreative Gedankenübung, aber auch geradezu zwanghaft betrieb. [...] Er kann bestimmte Dekorformen, einmal erfunden, unendlich variieren und solange in den unterschiedlichsten Zusammenhängen wiederholen, bis neue Linienformationen ihn beschäftigen17.




Abb. 1: J. Hoffmann, Exlibris Alma Schindler, um 1901, Klischee (60x42 mm) Abb. 2: J. Hoffmann, Buchschmuck (140x36 mm), reproduziert in Ver Sacrum 1900 Abb. 3 : J.Hoffmann Buchschmuck (80x30 mm), reproduziert in Ver Sacrum 19

Gerade die Seiten des Ver Sacrum, bemerken Daniele Baroni und Antonio d‘Auria in ihrer Untersuchung Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte, stellten etwa für Olbrich und Hoffmann eine Art Werkstatt dar, in der sie ihr jeweiliges Formenrepertoire verfeinern und genau umreißen18 konnten.

Aufgrund dieses Werkstattcharakters vieler graphischer Arbeiten aus der Zeit um 1900 fällt es, wie Hans Bisanz zu bedenken gibt, häufig schwer, angewandte und zweckfreie Graphik voneinander abzugrenzen, da es sich um eine Stilepoche handelt, deren Protagonisten für das Gesamtkunstwerk als eine den (gleichberechtigten) Kunstgattungen übergeordnete Wunschvorstellung eintraten und dies zum Teil persönlich durch Betätigung auf verschiedensten künstlerischen Gebieten demonstrierten. Das hatte immer neue Grenzüberschreitungen zur Folge und führte in Zeitschriften wie „Ver Sacrum“ oder „Die Fläche“ zum wiederholten Auftreten experimenteller, utopischer „Plakat- oder Exlibrisentwürfe“, die nicht als ausführbare Vorlagen, sondern lediglich als ästhetische Diskussionsgrundlagen gemeint waren.19


Abb. 4: J. Hoffmann, Exlibris für Fritz Waerndorfer 148x56 mm, reproduziert in Ver Sacrum 1903

Bisanz spielt damit auch auf das praktisch in allen Standardwerken zur Wiener Moderne abgebildete Exlibris von Josef Hoffmann an, das 1903 im Heft 6 von Ver Sacrum, gemeinsam mit anderen ornamentalen Figurationen, präsentiert wurde20 (vgl. Abb. 4). Hoffmann versah die Tuschezeichnung, deren Originalentwurf sich im Archiv der Wiener Secession befindet21, mit den Initialen F W , die von den Berliner Exlibristen irrtümlich als F M gelesen wurden, während die Wiener Kunstszene selbstverständlich wußte, daß sie für seinen Freund und Geschäftspartner Fritz Waerndorfer22 standen. Das von der Zeitschrift für Bücherzeichen als stark secessionistisch beschriebene Blatt mit Figuren à la Macintosh zeigt drei, auf Linien gesetzte stilisierte Frauenköpfe und zitiert die vom Kunstkritiker Ludwig Hevesi anläßlich der 8. Secessionsausstellung 1900 monierte eigene Weise von Margaret und Frances Macdonald, die menschliche Figur als eine steife, schlanke Hülse zu sehen [...].23

Diese Reduktion der menschlichen Gestalt auf eine Linie kann als Hommage des Künstlers als auch indirekt des Eigners des Exlibris an die Glasgower Künstlergruppe „The Four“24 gelesen werden, da Hoffmann und Waerndorfer seit der Ausstellung insbesondere mit den Mackintoshs in einem intensiven Austausch standen. Das Ehepaar gestaltete 1902 auch Waerndorfers Musiksalon25, und Charles Rennie Mackintosh, der den Plan Mosers und Hoffmanns, in Wien eine Werkstätte für Metallarbeiten einzurichten, enthusiastisch begrüßte, diskutierte mit Hoffmann, Moser und Waerndorfer die künstlerische Programmatik einer solchen Einrichtung.26 Für Helmut Franck, der zwar ebenfalls auf die Anlehnung an die Glasgower Jugendstilgruppe hinweist, verkörpert das Exlibris dagegen mit seiner punktförmige[n] Umrandung sowie die in die Gesamtwirkung einbezogene Schrift geradezu den Prototyp der Wiener Jugendstilauffassung.27

Die weibliche Triade auf dem Exlibris für Fritz Waerndorfer verweist darüber hinaus auf ein zentrales Symbol der Wiener Secessionisten. Schon der Umschlag des ersten, von Alfred Roller gestalteten Ver Sacrum-Heftes zeigt ein blühendes, die Dauben des zu eng gewordenen Holzgefäßes sprengenden Bäumchens, das von drei leeren Wappenschilden bedeckt wird. Die Schilde symbolisieren die drei — gleichwertigen — Kunstgattungen Architektur, Malerei und Skulptur und werden von den Secessionsten immer wieder auch in Form von drei weiblichen Gestalten versinnbildlicht28 — vermutlich auch auf dem im selben Zeitraum von Kolo Moser entworfenen Exlibris für Fritz Waerndorfer, das im Vordergrund drei, in lange Mäntel gehüllte Frauen zeigt.29


Abb. 5: J. Hoffmann, Eigenexlibris, Klischee (30x30 mm)

Während das Moser-Exlibris für Fritz Waerndorfer tatsächlich in zwei Formatvarianten vervielfältigt wurde30, hatte Josef Hoffmanns Exlibrisentwurf möglicherweise tatsächlich nur den Charakter einer, wie Bisanz es formuliert, ästhetischen Diskussionsgrundlage, da von der Graphik keine Reproduktionen existieren.31

Das dritte aus der Literatur bekannte Exlibris von Josef Hoffmann, ein Eigenblatt (vgl. Abb. 5), ist im Bestand der Nationalbibliothek hingegen in zwei Drucken vorhanden, und aus der gummierten Rückseite des Blattes läßt sich schließen, daß er es tatsächlich als Besitzvermerk verwendete. Auf der signetartigen, aufgrund ihrer Größe mehr einer Buch- bzw. Verschlußmarke ähnelnden Kleingraphik bilden die Initialen H bzw. ein mit dem H verbundenes gespiegeltes J in Form massiver Balken ein Quadrat — quasi das „Markenzeichen“ des Künstlers, der ja aufgrund seines exzessiven Einsatzes von geometrischer Ornamentik ironisch als „Quadratl-Hoffmann“ bezeichnet wurde.


Abb. 6: Schutzmarken und Monogramme der Mitglieder der Wiener Werkstätte aus dem Arbeitsprogramm, 1905

Diese für den Wiener Jugendstil ab 1901 so charakteristische quadratische Ornamentik konnte laut Elisabeth Schmuttermeier bei Hoffmann in jeder Materie als Verzierung aufscheinen.32 Sie macht darauf aufmerksam, daß auch die Signets einzelner Mitarbeiter der Wiener Werkstätte ebenso wie das Monogramm der Wiener Werkstätte einen quadratischen Grundriß aufweisen und die registrierte Schutzmarke, „die Rosenmarke“, hauptsächlich von Quadraten gebildet wurde.33 Das Entwerfer-Monogramm Hoffmanns im 1905 publizierten Arbeitsprogramm der Wiener Werkstätte (vgl. Abb. 6) besitzt nicht nur wie Hoffmanns Eigenblatt eine quadratische Grundstruktur, auch die Anordnung seiner Initialen H J ist eine ähnliche, was den Schluß erlaubt, daß das Exlibris aus der Entwerfermarke entwickelt wurde und ebenfalls nach 1903 entstanden ist.

Aufgrund der bisher bekannten von Josef Hoffmann entworfenen Exlibris konnte man meinen, daß der Künstler kurz nach der Jahrhundertwende sein Interesse an der Gestaltung von Exlibris verloren hatte und sich auf kunstgewerbliche Entwürfe konzentrierte. Bisher unveröffentlichte, sich im Privatbesitz der Familie Margareta und Götz Primavesi befindliche Exlibris- bzw. Exlibrisentwürfe belegen nun, daß sich der Künstler auch in den 20er Jahren gelegentlich mit diesem Medium beschäftigte.

II. Die Anfänge der Wiener Werkstätte

In seiner autobiographischen Skizze Selbstbiographie34 beschreibt Josef Hoffmann die Gründung der Wiener Werkstätte: 1903 seien Kolo Moser und er wieder einmal verzweifelt beim Mittagessen zusammengesessen und hätten die Notwendigkeit der Gründung von Künstlerwerkstätten beklagt. Ihr Tischgenosse, der Bankier und Kunstsammler Fritz Waerndorfer, hätte sie gefragt, welche Mittel sie für den Beginn einer solchen Unternehmung brauchten. Als die Künstler meinten, 600 Kronen würden ausreichen, hätte Waerndorfer lachend den Betrag auf den Tisch gelegt. Er und Moser wären sofort bereit gewesen, die Sache zu beginnen, schreibt Hoffmann. Sie hätten sich noch am selben Tag in eine kleine Wohnung eingemietet und diese mit einigen spontan gekauften Biedermeiermöbeln eingerichtet. Abends seien die beiden dann in ihrem frischbezogenen Studio gesessen und hätten überlegt, was nun zu tun sei. Unsere Finanzen waren durch den Bedarf des ersten Tages vollständig aufgebraucht, und wir wußten nicht, wie wir Wärndorfer dieses Debakel mitteilen sollten. Wärndorfer lachte, tröstete uns und versprach, sich mit seiner Mutter zu beraten, wie man ein größeres Kapital zur Gründung von umfassenden Werkstätten aufbringen könnte. Er hatte in einigen Tagen einen Betrag von fünfzigtausend Kronen beisammen [...]35, beendet der Künstler den Bericht von der Geburtsstunde der Wiener Werkstätte.

Diese Geschichte, die freilich nur den Charakter einer vergnüglichen Anekdote hat36, beschreibt dennoch paradigmatisch das Spannungsfeld, in dem sich die 29 Jahre währende wechselvolle Geschichte der heute weltberühmten Experimentierwerkstatt für Kunstgewerbe von Anfang an vollzog: zwischen innovativem künstlerischem Wollen und der Bereitschaft großbürgerlicher Mäzene, für dieses Experiment Kapital zur Verfügung zu stellen, weil diese, ohne Zweifel ausgestattet mit ehrlicher Leidenschaft für die Kunst37, damit auch ihr eigenes Selbstverständnis als der auf die Zukunft ausgerichtete Teil der Gesellschaft demonstrieren konnten.

Bekanntlich mußte der erste Mäzen der Wiener Werkstätte, Fritz Waerndorfer, 1914 unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse (und dem seiner Familie) mit einem „One-way-ticket“ Richtung Amerika Abschied nehmen38, und die Wiener Werkstätte, Productivgenossenschaft von Kunsthandwerkern in Wien registrierte Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung trat in Liquidation, wurde aber gleichzeitig als Betriebsgesellschaft m. b. H. der Wiener Werkstätte Productivgenossenschaft für Gegenstände des Kunstgewerbes wiedergegründet. Die größten Gesellschafteranteile, knapp 30%, erwarben der Reichsratsabgeordnete Robert Primavesi und sein Cousin, der mährische Großindustrielle Otto Primavesi bzw. seine Frau Eugenie (Mäda).39

Otto Primavesi und seine Frau Mäda waren zu diesem Zeitpunkt Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte bereits eng verbunden. Nachdem Anton Hanak auf der internationalen Kunstausstellung in Rom 1911, für die Hoffmann den österreichischen Pavillon entwarf40, den Kontakt zwischen dem Ehepaar und dem Wiener Künstler hergestellt hatte41, beauftragte Otto Primavesi Hoffmann mit der Modernisierung seines Bankhauses in Olmütz42, der Einrichtung von zwei Zimmern in seiner Olmützer Villa und der Errichtung eines Landhauses in Winkelsdorf43, dessen Inneneinrichtung teilweise von der Wiener Werkstätte übernommen wurde (vgl. dazu den Exkurs „Das Landhaus der Familie Primavesi in Winkelsdorf“ weiter unten).

Abgesehen von den traditionell tiefe[n] Beziehungen des mährischen Raumes zum Wiener Kulturkreis44, bestanden von seiten der Primavesis — Otto Primavesi war als Vizepräsident der Olmützer Handels- und Gewerbekammer der Vertrauensmann des Österreichischen Werkbundes für Mähren45 — zu diesem Zeitpunkt schon intensive Beziehungen zur Wiener Künstlerszene, da Anton Hanak für die Familie seit 1905 viele Plastiken und kunstgewerbliche Arbeiten geschaffen hatte.

An den Arbeiten Hanaks für Otto und Mäda Primavesi läßt sich auch gut das Selbstverständnis der Familie als Mäzene ablesen, hinter dem weniger wirtschaftliche als identitätsstiftende Bedürfnisse stehen — im konkreten Fall die Idee der Familie. So hat Hanak etwa in einigen kunstgewerblichen Arbeiten das Weiblich-Mütterliche als Zentrum dieser umkreist: z. B. in der 1911 geschaffenen bronzenen Eingangstüre „Mutter, die ihre Kinder zeigt“ für die Olmützer Villa Primavesi, auf der eine Frau mit geöffneten Handflächen stolz die hinter ihr stehenden beiden Töchter präsentiert, oder in der 1915/16 entstandenen Kleinplastik „Mutter mit vier Kindern“, wo aus dem Körper der weiblichen Figur — sie erinnert an eine archaische Muttergöttin — vier Kinder entwachsen.46 Auch die 1912 und 1913 bei Gustav Klimt in Auftrag gegebenen Portraits „Mäda Primavesi“ (1912) und „Eugenia Primavesi“ (1913/14) betonen die Wichtigkeit des Weiblichen in der Familie.

Das Bildnis „Eugenia Primavesi“ zeigt die vierfache Mutter frontal in einem mit Ornamenten übersäten Kleid. Doch während, wie Gottfried Fliedl analysiert, in den Klimtschen Frauenportraits dieser Zeit die Portraitierten durch die Ornamentalisierung zunehmend „entkörperlicht“47 werden, betont Klimt auf dem Bildnis die selbstbewußt-mütterliche Leibhaftigkeit der Figur mit zwei kreisartigen Körperformen von den Schultern bis zur Taille bzw. von der Taille bis zum Knie.48

Die Wiener Werkstätte unter der Führung von Otto Primavesi

Durch den bald freundschaftlichen Umgang mit Gustav Klimt — zu dem vermutlich auch Hanak beigetragen hatte49— und insbesondere Josef Hoffmann begannen sich Otto und vor allem Mäda Primavesi immer mehr für das zeitgenössische Kunsthandwerk zu interessieren, und Otto Primavesi übernahm am 22. Juni 1915 schließlich die Geschäftsführung der Wiener Werkstätte. Otto Primavesi verlegte ihre Zentrale vom 7. in den 1. Bezirk, und um die Jahreswende 1917/18 eröffnete die Wiener Werkstätte ein Geschäftslokal in der Kärntnerstraße, das ausschließlich Produkte der Textilabteilung anbot. Unter Primavesis Führung begann das Unternehmen auch regelmäßig Messen zu beschicken und erweiterte mit einer Vertretung in Berlin (1916) und Filialen in Marienbad (1917), Zürich (1917), Velden (1922) und New York (1922) ihr Verkaufsnetz.50

Im März bzw. Mai 1918 übernahm Otto Primavesi die Stammeinlagen der meisten Gesellschafter und zahlte — möglicherweise, um die Liquidität der Firma zu erhöhen — für die Gesellschaftsanteile der Wiener Werkstätte Productivgenossenschaft 170.000,- Kronen in bar ein.51 Die anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten — so blieb etwa der Umsatz der Filialen weit unter den Erwartungen — veranlaßten Josef Hoffmann schließlich, seinen ehemaligen Schüler und Assistenten Philipp Häusler52 mit der Reorganisation der Betriebe der Wiener Werkstätte in organisatorischer, künstlerischer und technischer Beziehung zu betrauen. An den Konflikten, die sich um Häuslers Sanierungsversuche entzündeten und, nach tiefgreifenden Differenzen mit der Familie Primavesi, 1925 zu seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen führten, kann der von Anfang an existierende, unüberbrückbare Gegensatz zwischen künstlerischer Programmatik und wirtschaftlicher Führung des Unternehmens ermessen werden.

Das 1905 veröffentlichte, vermutlich von Josef Hoffmann verfaßte Arbeitsprogramm der Wiener Werkstätte beklagte das grenzenlose Unheil, welches die schlechte Massenproduktion einerseits, die gedankenlose Nachahmung alter Stile anderseits auf kunstgewerblichem Gebiete verursacht hat, um in eine der Kernaussagen des Programms zu münden: Wir wollen einen innigen Kontakt zwischen Publikum, Entwerfer und Handwerker herstellen und gutes, einfaches Hausgerät schaffen. Wir gehen vom Zweck aus, die Gebrauchsfähigkeit ist uns erste Bedingung, unsere Stärke soll in guten Verhältnissen und in guter Materialbehandlung bestehen. Wo es angeht, werden wir zu schmücken suchen, doch ohne Zwang und nicht um jeden Preis. [...] Der Wert der künstlerischen Arbeit und die Idee sollen wieder erkannt und geschätzt werden. Es soll die Arbeit des Kunsthandwerkers mit demselben Maß gemessen werden wie die des Malers und Bildhauers. Wir können und wollen nicht mit dieser Billigkeit wetteifern; dieselbe geht vor allem auf Kosten des Arbeiters, und diesem wieder eine Freude am Schaffen und eine menschenwürdige Existenz zu erringen, halten wir für unsere vornehmste Pflicht. Alles dieses ist nur schrittweise zu erreichen.53 Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung des Programms, als die ersten größeren finanziellen Engpässe, die letztlich zum Ausscheiden Mosers aus dem Unternehmen führten54, auftraten, war offensichtlich, daß die Wiener Werkstätte ihr Ziel, mit der künstlerischen Gestaltung von Gebrauchsgegenständen eine ästhetische Erziehung der Masse (und damit eine Entrümpelung ihrer mit historistischen Möbeln usw. vollgeräumten Wohnungen) zu erreichen, verfehlt hatte. Ihre Produkte gelangten kaum ins breite Publikum, einerseits, weil dieses wenig Verständnis für die radikale Formensprache der Produkte aufbrachte, andererseits die handwerkliche Produktion der Gegenstände Preise bedingte, die gerade nach dem 1. Weltkrieg von der verarmten österreichischen Durchschnittsbevölkerung nicht aufgebracht werden konnten.55

Aus der, wie Werner J. Schweiger betont, sehr spärlichen Quellenlage kann geschlossen werden, daß sich der Kundenkreis der Wiener Werkstätte hauptsächlich aus dem Umkreis der Künstler selbst rekrutierte; auch ein aufgeschlossenes, fortschrittlich denkendes (finanzkräftiges) Großbürgertum kam als Konsument in Frage; ein gewisser Snob-Appeal darf als Kaufmotivation ebenfalls angenommen werden [...].56 Mit der Umwandlung der Wiener Werkstätte in eine Gesellschaft vergrößerte sich zwar dann ihr Kundenkreis, doch Schweiger weist darauf hin, daß eine Liste von säumigen Zahlern belegt, daß die Gesellschafter des Unternehmens gleichzeitig auch wieder ihre Schuldner waren und dieser Kreislauf Gesellschafter-Kunde-Schuldner zur meist angespannten Finanzlage beitrug.57

Als Philipp Häusler durch eine Reihe von Lizenzverträgen mit der Industrie — die Künstler der Wiener Werkstätte lieferten Entwürfe für die industrielle Produktion von Tapeten, Bilder- und Spiegelrahmen, Tafelgeschirr usw.— versuchte, damit dem Unternehmen eine wirtschaftlich tragbare Basis zu schaffen, stieß er auf heftigen Widerstand von seiten Josef Hoffmanns, der auf der Exklusivität der Produkte beharrte.58 Hoffmann betonte noch 1929, in der Festschrift der Wiener Werkstätte zu ihrem 25jährigen Bestehen, seit der Gründung der Wiener Werkstätte wäre klar, daß Hand- und Maschinarbeit ganz anders auszusehen hätten. Daß die Maschinarbeit dann notwendig ist, wo die Anfertigung großer Massen es erfordert, daß die Maschine über andere, unbegrenzte Technik verfügt und niemals Handarbeit imitieren dürfte, während der durch nichts gehemmte Kunsthandwerker seine Phantasie spielen lassen kann und die famose Arbeit seiner Hände lediglich durch ein gut geschultes Gefühl mit Material und Werkzeug Wert bekommt.59

Dieser durch nichts gehemmte Kunsthandwerker, der in den vermutlich seit 1913 existierenden Künstlerwerkstätten ohne Rücksicht auf Erzeugungskosten, Nachfrage und Absatz arbeitete60 , war ebenso Häuslers ständiges Sorgenkind wie die von ihm in einem Brief als Extravaganzen61 beklagten komplizierten Techniken, mit denen Dagobert Peche die Arbeitszeit vieler Mitarbeiter beanspruchte.

Wie Josef Hoffmann stand auch die Familie Primavesi, die als Hauptgesellschafter der Wiener Werkstätte natürlich alle von Häusler getroffenen Entscheidungen blockieren konnten, seinen Bestrebungen, die Experimentierlust der Künstler zu bremsen und ein auf Massenproduktion ausgerichtetes marktwirtschaftliches Denken einzuführen, skeptisch gegenüber. Neither Fritz Wärndorfer nor Otto Primavesi, the Wiener Werkstätte‘s two principal financiers, ever viewed his investments in business terms. […] Primavesi‘s daughter recalled, “Our only wish was to make it possible for the artists to do what they wanted, it had nothing to do with business. When you have a lot of money, you think you always will have money“62, schreibt Jane Kallir. Otto Primavesi, führt sie weiter aus, for his part, had no illusions about the impracticality of the Wiener Werkstätte‘s ideals, but he also recognized that there was no other way to run the workshops and still remain true to their original purpose.63

Kallirs Beschreibung von Otto Primavesis naiver, der Zeit und Ökonomie trotzenden Form des Mäzenatentum muß wohl eher Mäda zugerechnet werden. Margareta und Götz Primavesi bestätigten Werner Schweigers Andeutungen, daß es in bezug auf die wirtschaftliche Führung des Unternehmens zwischen dem Ehepaar zu heftigen Auseinandersetzungen kam und vor allem Mäda an dem Konzept der handgefertigten Luxusware festhielt.64 Während Otto Primavesi, aufgerieben zwischen der Leitung der Wiener Werkstätte und der Administration seiner übrigen Firmen, nicht sein gesamtes Vermögen in die Wiener Werkstätte investieren (und verlieren) wollte, betrachtete Mäda Primavesi die Wiener Werkstätte unter anderen Gesichtspunkten: Mäda, so Jane Kallir, considered the preservation of the Wiener Werkstätte not only an artistic, but a patriotic duty [...].65

Die Differenzen endeten in einer unüberwindbaren Entfremdung des Ehepaares, sodaß Otto am 25. Juni 1925 als Geschäftsführer zurücktrat, sich von Mäda trennte, und ihr seine Anteile an der Wiener Werkstätte übertrug.66 Knapp ein Jahr später, im Mai 1926, wurde über die Wiener Werkstätte das Ausgleichsverfahren eröffnet.67 Dem finanziellen Zusammenbruch des Unternehmens gingen im Februar der Tod Otto Primavesis sowie im April 1926 der Konkurs des Bankhauses Primavesi in Olmütz voraus.68

Die Wiener Zeitung Der Abend beschuldigte in einem gehässigen Artikel über den Konkurs des Bankhauses die Familie Primavesi quasi der fahrlässigen Krida: Otto Primavesi, der Eigentümer der Bank, hat sich, ohne Fachmann zu sein, der Wiener Werkstätte bemächtigt und alle seine Verwandten, insbesondere aber die seiner Frau, in leitende Stellungen gebracht. [...] und diese Sippe war es eigentlich, die ohne Fachkenntnisse das Unternehmen, einst ein Stolz Wiens, ganz heruntergewirtschaftet hat.69

Zweifellos hat der Vorwurf, die Familie hätte Positionen der Wiener Werkstätte mit künstlerisch bzw. wirtschaftlich inkompetenten Verwandten besetzt, seine Berechtigung. Schon Philipp Häusler hatte sich 1922 bei Joseph Urban über jene Schar von mit der Familie Primavesi verwandten oder befreundeten Dilettanten70, die seine Reorganisationsbemühungen behinderten, beklagt, und auch der ab Oktober 1927 als Geschäftsführer der Wiener Werkstätte agierende Textilindustrielle Kuno Grohmann berichtet in seinen Erinnerungen Geschichtlicher Rückblick auf die Ereignisse der Wiener Werkstätte von Schwierigkeiten mit Mäda Primavesis Schwiegersohn, der sich laut Grohmann gar wiederholt an der Kassa vergriffen hätte [...].71 Bei solch undifferenzierten Anklagen wie der eben zitierten wird jedoch vergessen, daß die künstlerische Programmatik der Wiener Werkstätte nur durch, den ökonomischen Aspekt vernachlässigende, Mäzene wie Fritz Waerndorfer oder Otto Primavesi verwirklicht werden konnte. Um Einzelstücke und Luxusgegenstände von hoher Exklusivität herzustellen, benötigten die Künstler einen großzügigen Financier, in Jane Kallirs Diktion the perfect Milchkuh, or milk cow — the one who would never run to dry.72

Die Geschäftsgebarung der Wiener Werkstätte dürfte übrigens durch mangelhafte Planung, schlampige Kalkulationen und inkompetente Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich von Anfang an nicht einer gewissen Nachlässigkeit entbehrt haben73 , darüber hinaus gilt es zu bedenken, daß sowohl Otto Primavesi als auch der spätere Geschäftsführer Kuno Grohmann aufgrund der Verwaltung ihrer eigenen Betriebe die Geschäftsführung der Wiener Werkstätte nicht im wirklich notwendigen Umfang wahrnehmen konnten.

Mäda Primavesi und Kuno Grohmann — Retter der Wiener Werkstätte?

Kuno Grohmann, ein entfernter Verwandter von Mäda, stellte, nachdem im August 1926 der Konkurs der Wiener Werkstätte durch eine 35%ige Ausgleichsquote abgewendet worden war, mit zwei anderen Industriellen dem Unternehmen Geld zur Verfügung. Seine Motivation, in die Wiener Werkstätte zu investieren, hatte zweierlei Gründe. Einerseits schätzte er sie als einen bedeutenden Kulturfaktor und betrachtete ihren Untergang als großen Verlust für die Kunstwelt74, andererseits stand dahinter auch das Bemühen, Mäda Primavesi zu helfen. Aus den Handelsregisterakten von 1925 geht hervor, daß diese ihre Anteile an der Wiener Werkstätte einen Monat nach der Überschreibung durch Otto an Eduard J. Wimmer und Ludwig Gallia treuhänderisch übertragen hat.75 Als er Mäda Primavesi ein Jahr später zufällig begegnet sei, schreibt Grohmann, erzählte sie ihm, daß sie ein Jahr zuvor vor einer großen Operation mit einem Geschäftsführer der Wiener Werkstätte einen Vertrag gemacht habe und dieser Geschäftsführer diese Rechte jetzt mißbrauche und ihr keinerlei Geld zur Verfügung stelle.76 Mit seiner Hilfe, so Grohmann, gelang es Mäda, ihre verpfändeten Anteile wieder freizubekommen77, und nachdem er die Leitung des Unternehmens übernommen hatte, wäre Mäda Primavesi zur künstlerischen Beraterin des Unternehmens mit einem bedeutenden Gehalt78 ernannt worden. Es sei aber zu ständigen Differenzen zwischen ihr und den anderen Mitarbeitern gekommen: Bei diesen Differenzen zeigte sich schon, daß mit Frau Primavesi [...] ein sehr schweres Arbeiten sei, da sie, vollkommen geschäftsunkundig, in den persönlichen Differenzen mit den einzelnen Leitern ihre Energie auszutoben suchte, ohne Rücksicht auf sachliche und geschäftliche Momente.79 Mäda Primavesis tatsächlichen ökonomischen Sachverstand bzw. ihre soziale Kompetenz im Umgang mit Mitarbeitern zu beurteilen, fällt schwer, da die Quellenlage dürftig ist und persönlichen Erinnerungen immer mit Skepsis zu begegnen ist, gerade wenn wie im Falle der Beziehung zwischen Kuno Grohmann und Mäda Primavesi diese in einer offenen Feindschaft endete80 und es die im Typoskript mitschwingenden Ressentiments zu bedenken gilt.

Zweifellos hat der völlig differente Blick von Mäda Primavesi bzw. Kuno Grohmann auf die Wiener Werkstätte zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen bezüglich der Führung des Unternehmens geführt. Während etwa Kuno Grohmann die Feier des 25jährigen Bestehens ablehnte — er wollte die angespannten Finanzen des Unternehmens nicht mit aus seiner Perspektive unnötigen Ausgaben belasten — begriffen Josef Hoffmann und Mäda Primavesi den anläßlich des Jubiläums geplanten großen gesellschaftlichen „Event“ und die durch einen Einband in Reliefpressung, innovatives Layout und ungewöhnliche typographische Gestaltung bestechende Festschrift81 über die Wiener Werkstätte als Leistungsschau, die der Öffentlichkeit die Bedeutung der Wiener Werkstätte für das internationale Kunstgewerbe demonstrieren sollte. Und die aus Grohmanns Sicht kritisierten großen Ausgaben, die Fest und Festschrift verursachten, bzw. die Unordnung82, in die das Unternehmen durch die zweimonatige Vorbereitung der Feier geriet, können aus der Perspektive moderner Öffentlichkeitsarbeit — es erschienen anläßlich der Jubiläumsfeiern zahlreiche Presseartikel83 — als sinnvolle Investition in eine gelungene Imagekampagne beurteilt werden.

Zwei Jahre später — die 1928 erfolgte Zuführung von Fremdkapital84 konnte die darüber hinaus durch die neue Berliner Filiale 1929 erneut schwer belasteten Finanzen der Wiener Werkstätte nicht stabilisieren, auch ein Sanierungsversuch des Unternehmens durch das Bundesministerium für Handel und Verkehr schlug fehl85 — zogen sich sowohl Kuno Grohmann als auch Mäda Primavesi aus dem Unternehmen zurück. Aus den Handelsregisterakten von 1931 kann geschlossen werden, daß die Anteile Mädas an Alfred Hofmann, den Direktor der Österreichischen Likrustawerke, übergingen.86 1932 schied auch Josef Hoffmann, nachdem sein Vertrag nicht mehr verlängert worden war, aus der Wiener Werkstätte.87

Wiederbelebungsversuche der Wiener Werkstätte durch Josef Hoffmann und Mäda Primavesi

Am 3. Juni 1933, ein dreiviertel Jahr nach dem endgültigen Aus der Wiener Werkstätte, meldete Der Wiener Tag unter der Überschrift Firma Hoffmann-Primavesi oder die „Neue Wiener Werkstätte“ ihre beabsichtigte Wiederbelebung durch Josef Hoffmann und Mäda Primavesi als künstlerisch-geschäftliche Leiter. Die Wiederbelebung setze, so das Blatt, voraus, daß die früheren Leiter — in Erkenntnis des Guten, das verging, und des Kommenden, das nun nottut — selbst erst umgeboren und erneuert werden. Vom alten Wesen kann in erster Linie der Geschmack, der Sinn für gute Formgebung und Farbe erhalten bleiben. Weit wichtiger aber erscheint es, den Übergang von der ursprünglichen Luxusproduktion, die nur für den individuellen Konsumenten tätig sein wollte, auf Massenkonsum und Massengeschmacksbildung zu finden. Hiermit steht und fällt das neue Experiment [...].88 Vermutlich ist das Projekt Josef Hoffmanns und Mäda Primavesis am fehlenden Kapital gescheitert, denn die im Jänner 1933 ins Handelsregister eingetragene Gesellschaft wurde im September 1937 wegen Nichttätigkeit wieder gelöscht.89 Sowohl Hoffmann als auch Primavesi haben den Gedanken der Neubelebung der Wiener Werkstätte auch danach nicht aufgegeben. Josef Hoffmann verfolgte seine Idee der Künstlerwerkstätten als Ort des Experiments in der unter den Nationalsozialisten eingerichteten Versuchswerkstätte für künstlerische Formgebung90 weiter, und Götz Primavesi erinnert sich, daß seine Großmutter noch nach 1945 die österreichischen Behörden von der Notwendigkeit der Neubelebung der Wiener Werkstätte zu überzeugten suchte — allerdings erfolglos.91
Josef Hoffmann und Mäda Primavesi blieben einander bis zu Hoffmanns Tod 1956 freundschaftlich verbunden. So erinnert sich Hoffmann etwa in seiner Selbstbiographie von 1950 voll Dankbarkeit und Wärme an die Hartnäckigkeit, mit der Mäda Primavesi nach dem Ausscheiden bzw. Tod ihres Mannes um das Überleben der Wiener Werkstätte kämpfte: Frau Primavesi wollte trotzdem den Kampf nicht aufgeben und versuchte die Werkstätten weiterzuführen. Ihrer begeisterten, aufopfernden Tätigkeit schien das anfangs zu gelingen, aber die zerrüttete Wirtschaftslage Europas und die vollkommen anderen Verhältnisse bereiteten täglich neue Sorgen und Schwierigkeiten. Es war nicht möglich, geeignete kaufmännische Kräfte zu ihrer Hilfe zu finden. Unsere Produktion hatte allerdings noch vieles zu lösen, und es fehlte nicht an Ideen und überraschenden Versuchen. Die Erzeugung von wohl ganz und gar eigenartigen Druckstoffen, Tapeten und modischen Dingen aller Art hatte eine große Qualität erreicht und wurde ideell auch von der Welt anerkannt, die finanzielle Ausbeute allerdings konnten wir, in allen diesen Notwendigkeiten unerfahren, nicht bewältigen.82

Auch die in der Folge vorgestellten, bisher unbekannten Exlibris bzw. Exlibrisentwürfe, die der Künstler für seine Freunde und Mäzene Otto und Mäda Primavesi entworfen hatte, bezeugen diese Verbundenheit im gemeinsamen Bemühen für die angewandten Künste.

III. Unbekannte Exlibris und Exlibrisentwürfe von Josef Hoffmann für Otto und Mäda Primavesi

Die Exlibrisentwürfe für das Ehepaar Primavesi, die nun bekannt geworden sind, sollen in einer Auswahl vorgestellt werden, wobei versucht wurde, sie in Motivgruppen zusammenzufassen. Ihre Präsentation ist nur möglich, da die Nachkommen der Familie sehr großzügig das vorhandene Material sowie Fotos und Korrespondenz zur Verfügung gestellt haben.93 Dafür, und auch für die Bereitschaft, in einem Interview die noch offenen Fragen zur Familiengeschichte zu klären, sei ihnen hier ein herzlicher Dank ausgesprochen.

Insgesamt sind es 31 Bleistift- bzw. Tuschzeichnungen auf kariertem Papier, die in einem 28 x 20,5 cm großen Heft kleben, dessen Seiten94 und Umschlag95 aus Buntpapieren der Wiener Werkstätte bestehen. Das Design des Papiers des Umschlages entspricht einem Stoffmuster, das Maria Likarz entworfen hat96. Es ist zu vermuten, daß Mäda Primavesi dieses zwölfseitige Heft mit Bindfäden selbst geheftet und die ausgeschnittenen Hoffmannschen Skizzen sowie einen Holzschnitt eingeklebt hat. Bei der Abfolge ging es ihr offenbar vor allem um eine dekorative Anordnung auf den Seiten, denn es kleben nicht immer alle Zeichnungen, die zu einem Motiv gehören, zusammen (vgl. Abb. 7).


Abb. 7: Doppelseite aus dem Heft mit eingeklebten Exlibrisentwürfen von Josef Hoffmann (Foto: Ingrid Oentrich, ÖNB)

Die größte Zahl von Skizzen, insgesamt sind es neun, zeigen alle ein brennendes Gebäude. Sie variieren nur in der Größe des Motivs, in der Rahmung und Schriftgestaltung (vgl. Abb. 8–11). Die markante Architektur läßt keinen Zweifel zu, daß es sich dabei um das brennende Landhaus der Familie in Winkelsdorf handelt. Bei Exlibris, die ja als Eignerkennzeichen in ein Buch geklebt werden, sind nun eine ganze Bandbreite an Motiven üblich, wobei bei vielen primär das unverbindlich Dekorative im Vordergrund steht. Die Auswahl reicht vom Buch über Pflanzen, Tiere, das Motiv der Frau usw. Auch Architektur wird manchmal als Schmuck gewünscht — sei es das Haus oder etwa die Heimatstadt des Eigners. Sehr bemerkenswert ist es jedoch, daß ein tragisches Ereignis aus dem Leben des Bucheigners, im konkreten Fall der Brand des Landhauses im Jahr 1922, dargestellt wird. Anschließend soll daher in einem Exkurs auf die Bedeutung des Hauses für die Familie Primavesi und für Josef Hoffmann eingegangen werden, der nicht nur der Entwerfer der Exlibris, sondern auch Architekt des Gebäudes war.





Abb. 8: J. Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (51x46 mm) Abb. 9: J. Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (51x46 mm) Abb. 10: J. Hoffmann, Exlibrisentwurf, Tusche auf Papier (55x51 mm) Abb. 11: J. Hoffmann, Exlibrisentwurf, Tusche auf Papier (30x40 mm)

Exkurs Das Landhaus der Familie Primavesi in Winkelsdorf 97

Winkelsdorf (Koutny) liegt in einem landschaftlich besonders reizvollen Tal der Tess (Desná) mitten im Altvater-(Praděd-)Gebirge. Die Familie hatte hier ein großes Grundstück an einem Südosthang erworben, an dessen höchster Stelle Josef Hoffmann 1913/14 das Landhaus errichtete (vgl. Abb. 12 und 13).

Das eigentliche Wohnhaus befand sich in einer weitläufigen, gärtnerisch gestalteten Anlage und wurde durch mehrere Nebengebäude und Gartenbereiche — Lusthaus98, Garage, Stallungen, Eiskeller, Scheune, Turbinenhaus, Bad, Sonnenbad, Tennisplatz — ergänzt.



Abb. 12: Landhaus Primavesi, Ansicht der Vorderseite.
Der verglaste Wandelgang, der das Hauptgebäude mit dem südwestlich gelegenen Lusthaus verbindet, ist noch nicht fertiggestellt.
Abb. 13: Landhaus Primavesi, Ansicht der Rückseite

Wie Eduard F. Sekler ausführt, sollten auf Anregung Hanaks und auf Wunsch der Hausfrau im Inneren wie im Äußeren Anlehnungen an die mährische Volkstradition gesucht werden.99 Den Idealen der Heimatstilbewegung100 folgend, wurden an Ort und Stelle vorkommende Materialien und Bauformen verwendet.

Es gab einen Sockel aus Bruchsteinmauerwerk und darüber eine Holzkonstruktion in Blockbauweise.101 Gegliedert wurde der Bau durch einen vorspringenden Mittelrisalit, dessen Stützen aus Eichenholz bestanden. Auch das Dach war, abgeleitet von heimischen Vorbildern, ein überhängendes Walmdach aus Stroh. Die Lagen des Blockbaus bestanden abwechselnd aus naturbelassenen bzw. dunkel gebeizten Stämmen, wodurch bei den Wänden des Hauses jenes charakteristische Streifenmuster entstand, das auch bei der schematischen Darstellung der Architektur auf den Entwürfen und besonders auf den später gedruckten Exlibris zu erkennen ist.

Im Erdgeschoß befand sich der Hauptraum des Hauses, die große Halle mit vorgelagerter Loggia und dem dahinterliegenden ohne Trennwand angeschlossenen Speisezimmer. Diese Räume nahmen den gesamten Mittelteil des Hauses in Anspruch. Weiters lagen im Erdgeschoß noch Gästezimmer, die Küche und Räume für das Personal. Von der Halle aus führte eine Treppe ins Obergeschoß, wo sich die den Kindern zugedachten Zimmer (Schlafzimmer, Tagraum, Kinderlaube) und die Schlafräume der Eltern befanden. Der ausgebaute Dachboden enthielt weitere Gästezimmer.

Trotz des folkloristischen Anspruchs, der beim Baumaterial erfüllt wurde, folgt der Grundriß und der formale Aufbau ganz dem Schema des Villen- und Schloßbaus. So werden die nobilitierenden Formen des vorspringenden Mittelrisalits, der Kolossalordnung und der Säulenfront verwendet, die ganz dem klassizierenden Baustil Hoffmanns in diesen Jahren entsprachen.102

Auch die Innenausstattung war von der lokalen nordmährischen Volkskunst geprägt, die aber nicht streng kopiert wurde, sondern den Grundton der Räume bestimmte. So gab es durchwegs bunt bemalte, holzgeschnitzte Verzierungen, bemalte Möbel und Wandvertäfelungen, handbedruckte Stoffe der Wiener Werkstätte und einen großen, mit Figuren geschmückten Kachelofen von Hanak in der Halle (vgl. Abb. 13). Allerdings ist Winkelsdorf — so bemerkt Sekler — nicht nur Heimatkunst, sondern auch ein gutes Stück Expressionismus: die vielen Zacken all der vorkommenden Rauten, Diagonalverschneidungen und Sterne sind formaler Beweis genug dafür.103

Der Dekor des Speisezimmers etwa basiert auf dem Rautenmotiv — das sich in der Wandgliederung, in den Sprossen der Anrichte und in den Schnitzereien der Sessel wiederfindet (vgl. Abb. 14).

Architektur und Ausstattung des Baus wurden in den wichtigen zeitgenössischen Architekturzeitschriften besprochen.104 Das Haus galt fast schon als Sehenswürdigkeit. So sind in der Familie auch Erinnerungen der Kinder überliefert, daß immer wieder Fremde kamen, die das Haus besichtigen wollten und sie daher ihre Zimmer in Ordnung bringen mußten.

Die starken Farb- und Formkontraste und unruhigen Muster in den Räumen fanden jedoch nicht immer den ungeteilten Zuspruch aller Familienmitglieder und Gäste. So erinnerte sich die Tochter Mäda, daß sie ihr mit einem blau-weißen Rautenmuster dekoriertes Zimmer manchmal aus dem Grund verlassen mußte, da sie eine ruhigere Umgebung benötigte, die sie schließlich im Holzschuppen fand.105



Abb. 14: Landhaus Primavesi Halle Abb. 15: Landhaus Primavesi, Speisezimmer
(Otto Primavesi ganz links; Mäda Primavesi ganz rechts)

Die Atmosphäre des Hauses war geprägt von großer Gastlichkeit und Geselligkeit. Immer wieder erfolgten Einladungen an die Wiener Künstlerfreunde, denen vor allem Gustav Klimt, Anton Hanak und Josef Hoffmann gerne nachkamen (vgl. Abb. 15). Ein in der Familie erhaltenes Fotoalbum gibt Einblick in die Geschehnisse während eines Aufenthaltes im Winter 1920. Es enthält Schnappschüsse von Theateraufführungen, orientalischen Feiern, Musikabenden und Schlittenfahrten. Josef Hoffmann berichtet in seiner Selbstbiographie von einem Aufenthalt im Sommer: Es war ein vergnügliches Leben mit Spaziergängen, mit Baden und Sonnen im Freien und kleinen Autoreisen, improvisierten Festlichkeiten und vielen schönen Abenden, bei welchen Hanak zu seiner Laute herrliche Lieder sang, die wir andachtsvoll genossen.106

Der Aufenthalt verlief ganz ungezwungen, so trugen die Gäste beim Abendessen keine formelle Kleidung, sondern eigens dafür entworfene Talare aus Wiener Werkstätte-Stoffen.107 Einen Höhepunkt bildeten die sogenannten „Schweindlfeste“ im Keller des Hauses („Schweindlhalle“)108, bei denen der deftigen mährischen Küche zugesprochen wurde (vgl. Abb. 16). In einem Brief vom 21. 12. 1919 schreibt Mäda Primavesi an Josef Hoffmann: Ich hoffe sie werden sich dann hier sehr gut erholen, wenn Sie mir nur lang genug bleiben. Hier schneit es bei 10 Kälte unentwegt, Sie sollen eine gute Rodelbahn finden. Lola, Hedwig und Wolfgang haben unglaublich viel gebacken, das größere Schwein ist unglaublich fett geworden und wartet auf Ihr Kommen.109



Abb. 16: Landhaus Primavesi: 
Im Vordergrund stehend (von links): 
Anton Hanak, Gustav Klimt, Mäda Primavesi, 
Otto Primavesi (rechts außen)
Abb. 17: Landhaus Primavesi, Kellerraum

Allerdings war Mäda Primavesi auch immer sehr darauf bedacht, daß die Familie und Freunde während des Aufenthalts ein gesundes Leben führten. Josef Hoffmann berichtet: Es mußte offiziell bald schlafen gegangen werden. Trotzdem versammelte sich die Gesellschaft heimlich mit dem Hausherrn in den unteren Räumlichkeiten, wo es bei guten Weinen hoch herging und wo Hanaks Witz und Aufgeräumtheit den Ton angaben. Auch Klimt genoß unverdrossen diese freundliche Runde, leider hatte Frau Primavesi einmal Verdacht geschöpft und uns bei diesen verbotenen Freuden überrascht, was seine Folgen hatte.110

Leider gab es diese vergnüglichen Aufenthalte nur einige Jahre, denn 1922 kam es durch Kurzschluß zu jenem verheerenden Brand, der — bedenkt man die leicht entflammbaren Baumaterialen — das Hauptgebäude vollkommen zerstörte.111

Dieses für die Familie so tragische Ereignis gibt auch einen Rahmen für die Datierung der im Heft befindlichen Skizzen, bei denen wir davon ausgehen, daß sie alle zur selben Zeit entstanden sind. Die Entwürfe müssen daher nach dem Brand von 1922, aber noch vor dem Tod Ottos, der 1926 starb, entstanden sein. Da die meisten Entwürfe auf das Ehepaar Primavesi lauten, ist auch anzunehmen, daß die Blätter vor der Trennung des Paares, also vor 1925 entstanden sind — so ergibt sich eine Entstehungszeit von 1923–1925.

Von den in das Heft geklebten Exlibrisentwürfen mit dem brennenden Landhaus wurde jedoch kein einziger umgesetzt. Bei den Skizzen blickt man frontal von vorne auf das Haus, während die beiden erhaltenen Druckstöcke, die in Positiv- und Negativschnitt ausgeführt wurden, das brennende Gebäude in Untersicht zeigen (vgl. Abb. 17, 18). Da keine Originalabzüge erhalten sind, die von diesen Druckstöcken stammen, wurden mit Erlaubnis der Familie einige Drucke zu Demonstrationszwecken angefertigt.112 Im Gegensatz zu den Entwürfen wirkt durch einen Standpunkt schräg unterhalb des Hauses hier der Brand viel dramatischer (vgl. Farbbild. 19,20).






Abb. 18: Druckstock im Positivschnitt, Holz (47x65 mm) Abb. 19: Druckstock im Negativschnitt, Holz (46x61 mm) Abb. 20: Exlibris für Mäda und Otto Primavesi, 
Holzschnitt (42 x 58 mm)



Abb. 21: Nachdruck Exlibris Mäda und Otto Primavesi, Holzschnitt (39x55 mm) Abb. 22: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (20x46 mm) Abb. 23: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (62x64 mm)

Weitere Exlibrisentwürfe im Heft sind Schriftexlibris, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie praktisch nur aus dem Text des Eignervermerks bestehen, der von einem einfachen runden oder eckigen Rahmen umgeben ist. Bei vier dieser Entwürfe stehen die einzelnen Wörter untereinander, das heißt, die Zeilenrichtung entspricht der üblichen Lesart von links nach rechts. Als Auflockerung innerhalb des Textes wird manchmal ein Sternchen oder eine Ranke eingefügt (vgl. Abb. 21-23). Zwei weitere Entwürfe arbeiten mit einer fortschrittlicheren typographischen Gestaltung: hier werden verschiedene Zeilenrichtungen verwendet, sodaß die Fläche mit einem Buchstabengerüst bedeckt wird (vgl. Abb. 24).

Einer dieser Entwürfe wurde etwas verändert tatsächlich gedruckt, wobei zwei Platten verwendet wurden. Das Ergebnis war nun ein Holzschnitt mit dem Eignervermerk auf einem kontrastreichen rot-weiß-roten Untergrund. Dieses Exlibris klebt als einzige Druckgraphik auf der ersten Seite des Heftes113 (vgl. Abb. 25).

Weitere Entwürfe zeigen neben dem Eignervermerk Motive aus der Pflanzenwelt. So erscheint bei einem Exlibris für Otto und Mäda Primavesi auf dunklem Grund eine Traube (vgl. Abb. 26). In dem Heft kleben auch insgesamt fünf Entwürfe für ein Exlibris für Otto Primavesi, die als Bildmotiv ein stilisiertes Blatt variieren (vgl. Abb. 27–29) Zwei weitere Skizzen, ebenfalls für Otto bestimmt, zeigen eine Blume auf einem Zick-Zackband. Diese Entwürfe wurden bis auf eine kleine Änderung in der Schriftgestaltung zur Ausführung ausgewählt und auch tatsächlich vervielfältigt114 (vgl. Abb. 30).

Die Exlibrisentwürfe haben ihre stilistischen und formalen Entsprechungen im übrigen Werk Josef Hoffmanns. So könnte der Exlibrisentwurf mit der Traube ohne Eignervermerk auch als ein Entwurf für ein Schmuckstück fungieren. Tatsächlich gibt es von Hoffmann eine Brosche von 1911/12, bei der der dunkle Grund des Exlibris gleichsam in Malachit umgesetzt wurde, auf dem sich eine in Silber getriebene Traubendolde115 befindet. Ahnlich wie bei den Exlibrisentwürfen streut er auch auf einem Teeservice von 1928 auf den glatten Flächen des Kannencorpus vereinzelt ein stilisiertes Blümchen, Trauben, Sternchen oder Zick-Zackbänder.116

Eine weitere Entwurfskizze im Heft zeigt ein weibliches Brustbild im Profil, daneben eine stilisierte Lyra und im Hintergrund einen Tempel, alles umgeben von Ranken (vgl. Abb. 31). Diese Zusammenstellung läßt an eine mythologische Darstellung — etwa eine Muse — denken. Unterhalb dieser Zeichnung ist dann eine weitere weibliche Gestalt zu sehen. Sie ist ganzfigurig und nackt dargestellt und hält mit beiden Armen eine Flammenschale empor. Diese Schale wird von Hoffmann nun noch zweimal isoliert herausgezeichnet und mit den Initialen des Ehepaares Primavesi versehen, sodaß dieses Motiv auch als Exlibris in ein Buch geklebt werden kann (vgl. Abb. 32). Diese Zeichnungen illustrieren gut die Arbeitsweise Hoffmanns, der zuerst eine Idee skizziert, aus dieser dann ein Detail herausnimmt und zu einem neuen Motiv weiterführt.

Der letzte Entwurf für ein Exlibris, der hier besprochen werden soll, zeigt den Eignervermerk eingeschrieben in einen architektonisch geprägten Aufbau (vgl. Abb. 33). Man könnte sich das Exlibris auch als Miniaturarchitektur, etwa bei einem Denkmal, vorstellen. So entspricht der Text des Exlibris gleichsam einer Inschrift auf einer profilierten Marmortafel, die von zwei kannelierten Pilastern getragen und von drei Giebeln bekrönt wird. Hoffmann gestaltete in ähnlichen Formen ein Grabmal.117 Gleichzeitig könnte der Entwurf aber auch in einem anderen Maßstab für ein Hallenschrank, der 1913/14 in der Ausstellung Österreichisches Kunstgewerbe zu sehen war.118

Der zuletzt vorgestellte Entwurf verleugnet nicht, daß sich Josef Hoffmann primär als Architekt verstanden hat. Die ausgeführten Exlibris und seine in dem Zusammenhang entstandenen Skizzen zeigen aber auch, daß sein kreatives Potential im kleinsten Entwurf steckt. Es lohnt sich daher, auch jene wenig bekannte Seite Hoffmanns, nämlich seine Arbeiten, die in Zusammenhang mit Buch und Buchschmuck entstanden sind, zu entdecken.





Abb. 24: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (42x57 mm) Abb. 25: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (67x58 mm) Abb. 26: J.Hoffmann, Exlibris Mäda und Otto Primavesi, Holzschnitt (79x50 mm) Abb. 27: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Tusche auf Papier (51x45 mm)




Abb. 28: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (38x21 mm) Abb. 29: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (51x33 mm) Abb. 30: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (32x54 mm) Abb. 31: J.Hoffmann, Exlibris Mäda und Otto Primavesi, Hochdruck (30x40 mm)



Abb. 32: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (105x47 mm) Abb. 33: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (55x33 mm) Abb. 34: J.Hoffmann, Exlibrisentwurf, Bleistift auf Papier (59x42 mm)

Alexandra Smetana ÖNB, Claudia Karolyi ÖNB, Alfred Slezak (Bildbearbeitung) ÖNB
Die Erstpublikation dieses Aufsatzes erfolgte in: Österreichische Nationalbibliothek (Hg.): BIBLOS - Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift, 49, 2 (2000), Wien 2000, S. 353 - 380

Verweise:
1. Karl Emich Graf zu Leiningen-Westerburg: Deutsche und österreichische Bibliothekszeichen Exlibris. Ein Handbuch für Sammler, Bücher- und Kunstfreunde, Stuttgart 1901 (Reprint der Ausgabe des Verlages Julius Hoffmann vom Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1980), 472.
2. Eduard Dillmann: Österreichische Ex libris. Neuerscheinungen, Österreichische Ex libris-Gesellschaft (Hrsg.): 1. Publikation, Wien 1903, 52.
3. Eduard Dillmann: Zur Einführung, Österreichische Ex libris-Gesellschaft (Hrsg.): 1. Publikation, Wien 1903, 5.
4. Ex-libris-Verein zu Berlin (Hrsg.): Zeitschrift für Bücherzeichen — Bibliothekenkunde und Gelehrtengeschichte, Jg. XIII, Görlitz 1903, 87.
5. Rudolf Hoschek-Mühlhaimb: Zur Geschichte der österreichischen Kleingraphik seit 1900, Österreichische Exlibris-Gesellschaft (Hrsg.): Österreichisches Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgraphik, Festschrift zum 50-jährigen Bestand der Gesellschaft, Bd. 39, Wien 1953, 33–46.
6. Hoschek-Mühlhaimb: Kleingraphik (s. o. Anm. 5), 45.
7. Hoschek-Mühlhaimb: Kleingraphik (s. o. Anm. 5), 35.
8. Hoschek-Mühlhaimb: Kleingraphik (s. o. Anm. 5), 36.
9. Hoschek-Mühlhaimb: Kleingraphik (s. o. Anm. 5), 36.
10. Hoschek-Mühlhaimb: Kleingraphik (s. o. Anm. 5), 36.
11. Heinrich R. Scheffer: Die Wiener Werkstätte und ihre Exlibris-Künstler, Österreichische Exlibris-Gesellschaft (Hrsg.): Österreichisches Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgraphik 1992–1993, Bd. 58, Wien 1993, 13–33.
12. Vgl. Danile Baroni, Antonio d’Aurio: Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte, Stuttgart 1984, 19.
13. Hans Ankwicz-Kleehoven: Josef Hoffmann. In: Große Österreicher. Neue Österreichische Biographie ab 1815, Bd. 10, Wien, Zürich, Leipzig 1957, 178; vgl. auch Eduard F. Sekler: Josef Hoffmann. Das architektonische Werk, Monographie und Werkverzeichnis, 2. überarb. Auflage, Salzburg, Wien 1986, der im Kapitel „Spätwerk“ ebenfalls anmerkt, daß Hoffmanns Entwürfen zu Bucheinbänden, seiner Buchausstattung als auch seinen freien graphischen Blättern bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde (vgl. 226 und Fußnote 25, 26).
14. Da das Exlibris sich nicht im Bestand der ÖNB befindet, wurde es uns freundlicherweise von Peter Rath, Sammler und Archivar der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft, zur Verfügung gestellt.
15. Vgl. Vereinigung bildender Künstler Österreichs (Hrsg.): Ver Sacrum, Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Heft 5, 1900, Wien 1903, 67 und 74.
16. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 228.
17. Angela Völker: Josef Hoffmanns Gesamtkunstwerk. Ornament und Muster. In: Peter Noever, Oswald Oberhuber (Hrsg.): Josef Hoffmann 1870–1956. Ornament zwischen Hoffnung und Verbrechen, Wien 1987, 15.
18. Danile Baroni, Antonio d’Aurio: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 12), 201.
19. Hans Bisanz: Gebrauchsgraphik. In: Wien um 1900, Kunst und Kultur, mit Textbeiträgen von Maria Auböck u. a., Wien, München 1985, 201.
20. Vgl. Ver Sacrum (s. o. Anm. 15), 115.
21. Vgl. Marian Bisanz-Prakken: Heiliger Frühling. Gustav Klimt und die Anfänge der Wiener Secession 1895–1905, Wien, München 1999, 118f. bzw. 202.
22. Fritz Waerndorfer bzw. Wärndorfer (Wien 1868–1939 Bryn Mawr, Pennsylvania) stammte aus einer jüdischen Industriellenfamilie, die einen der größten baumwollverarbeitenden Betriebe der Monarchie besaß. Durch Hermann Bahr kam er in Kontakt mit der Secession und ihren führenden Mitgliedern wie Josef Hoffmann, Gustav Klimt und Koloman Moser. 1903 finanzierte er die Gründung der Wiener Werkstätte und zeichnete als ihr kommerzieller Direktor, bis er 1914 unter dem Druck seiner Familie, die seinen wirtschaftlichen Ruin verhindern wollte, nach Amerika auswanderte. In Amerika wurde er zunächst Farmer, arbeitete dann als Entwerfer für eine Textilfirma und begann Aquarelle zu malen, die 1927 in der Galerie Otto Nirenstein in Wien gezeigt wurden.Fritz Waerndorfer besaß eine umfangreiche und hochkarätige Kunstsammlung, die heute verstreut ist und sich an Hand von Photos und anderen Dokumenten leider nur mehr schwer rekonstruieren läßt. Von Gustav Klimt, den Waerndorfer besonders schätzte, erwarb er wichtige Werke wie z. B. die „Pallas Athene“ oder „Die Hoffnung I“. Unter anderem gehörten zu seiner Sammlung ca. 150 Briefe von Aubrey Beardsley und Arbeiten des belgischen Bildhauers und Graphikers Georg Minne, beides Künstler, die von den Secessionisten in Ausstellungen gewürdigt worden waren. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten zahlreiche graphische Arbeiten von Koloman Moser und Marcus Behmer. Zu Fritz Waerndorfer als Geschäftsführer der Wiener Werkstätte vgl. Werner J. Schweiger: Wiener Werkstätte, Kunst und Handwerk 1903–1932, Augsburg 1995; zu Waerndorfer als Kunstsammler und Mäzen vgl.: Peter Vergo: Fritz Waerndorfer as Collector, Alte und moderne Kunst, Heft 177, 26. Jg., 1981, 33–38 bzw. Hanna Egger u. a.: Ein moderner Nachmittag. Margaret Macdonald Mackintosh und der Salon Waerndorfer in Wien, Wien, Köln, Weimar 2000.
24. Der schottische Architekt und Designer Charles Rennie Mackintosh bildete mit seinen Studienkollegen J. Herbert McNair und den Schwestern Margaret und Frances Macdonald (ihren späteren Ehefrauen) die Gruppe „The Four“, die ab 1890 mit kunstgewerblichen Entwürfen in die Öffentlichkeit trat. Die Gruppe wurde von Josef Hoffmann 1900 zur 8. Secessionsausstellung, einer Leistungsschau des österreichischen und internationalen Kunstgewerbes, eingeladen und war bei der Ausstellung für die Einrichtung und Dekoration eines Raumes verantwortlich. Ihre geometrisierende Formauffassung beeinflußte in der Folge den Wiener Jugendstil entscheidend: Nur eine kurze Zeit vor der Jahrhundertwende folgten die Wiener Kunstschaffenden dem floralen Jugendstil, wie er im Ausland vertreten wurde. Ab 1900 wurde der in Wien kreierte ‚geometrische Aspekt‘ für einige Jahre formbestimmend und stand somit mit Ausnahme des Oevres des Schotten Charles Rennie Mackintosh in diametralem Gegensatz zu der übrigen europäischen Kunstbewegung. Die 1900 in der VIII. Secessionsausstellung gezeigten Objekte des Glasgower Ehepaares C. R. Mackintosh und Margaret Macdonald trugen sicher zur Sensibilisierung Hoffmanns in bezug auf neue Akzente bei. Der Schwarz-Weiß-Kontrast, die Eleganz der Innenräume und die vereinzelt eingesetzte quadratische Ornamentik des Schotten waren von großem Vorbildcharakter. (Elisabeth Schmuttermeier: Die Wiener Werkstätte. In: Wien um 1900, Kunst und Kultur, mit Textbeiträgen von Maria Auböck u. a., Christian Brandstätter: Wien, München 1985, 192f.) Zur 8. Secessionsausstellung vgl. Werner J. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 15ff.; Marian Bisanz-Prakken: Heiliger Frühling (s. o. Anm. 21), 24f.; Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession (Hrsg.): Die Wiener Secession, Teil 2: Die Vereinigung bildender Künstler 1897–1985, Wien, Köln, Graz 1986, 27f.
25. Vgl. dazu Egger u. a.: Ein moderner Nachmittag (s. o. Anm. 22).
26. Vgl. dazu Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 22ff.
27. Helmut Franck: Jugendstil-Exlibris, Leipzig 1984, 114.
28. Vgl. dazu Bisanz-Prakken: Heiliger Frühling (s. o. Anm. 21), 16 und Bernhard Denscher: Österreichische Plakatkunst 1898–1938, Wien 1992, 39 und das Secessionsplakat von Kolo Moser zur 13. Ausstellung (Abb. in Denscher, 43) bzw. jenes von Alfred Roller zur 16. Ausstellung (Abb. in Denscher, 43).
29. Vgl. dazu C. Karolyi, A. (Smetana)-Mayerhofer: Das Glück des Sammelns. Die Exlibris-Sammlung Ankwicz-Kleehoven in der ÖNB, Biblos 46, 1 (1997) 110f.
30. Die Exlibris-Sammlung der ÖNB besitzt das Blatt in den Formatvarianten 75 x 73 mm bzw. 143 x 138 mm.
31. Weder das Archiv der Wiener Secession noch die Albertina und auch nicht die Exlibris-Sammlung der ÖNB besitzen Drucke des Exlibris, es scheint auch in keinem Bestandsverzeichnis deutscher bzw. österreichischer Exlibris-Sammlungen auf.
32. Schmuttermeier: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 24), 192f.
33. Vgl. Schmuttermeier: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 24) 192f
4. Josef Hoffmann: Selbstbiographie. In: Hilde Spiel u. a. (Hrsg.): Ver Sacrum, Neue Hefte für Kunst und Literatur, 4.1972, Ausgabe B, Wien 1972, 104-123.
35. Josef Hoffmann: Selbstbiographie (s. o. Anm. 34), 111.
36. Hoffmanns Idee einer Werkstätte für Kunsthandwerk kann bis ins Jahr 1902 zurückverfolgt werden. Vgl. dazu Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 22ff. und Baroni, d’Aurio: Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 12), 50f.
37. Baroni, d’Aurio: Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 12), 56, Fußnote 9.
38. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 96; es würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, die Geschichte der Wiener Werkstätte hier detailliert zu referieren, vgl. dazu: Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22) und Herta Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte von 1903–1932. Ein Unternehmen im Spannungsfeld zwischen künstlerischem Idealismus und wirtschaftlicher Pragmatik — Eine Chronologie der Unternehmensgeschichte. Dipl. Arb., Linz 1995; Baroni, d’Aurio: Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 12); Jane Kallir: Viennese Design and the Wiener Werkstätte, London 1986.
39. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 830.000,– Kronen und setzte sich aus 660.000,– Kr. Bareinlagen und 170.000,– Kr. Sacheinlagen (aus der Genossenschaft) zusammen. Die Stammeinlage von Robert Primavesi betrug 100.000,– Kr., jene von Otto und Mäda je 50.000,–. Neben den künstlerischen Mitarbeitern der Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann, Otto Prutscher und Eduard J. Wimmer, erwarben vor allem Auftraggeber und Kunden Gesellschaftsanteile. Vgl. dazu Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 96f. bzw. Herta Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 65f.Die Familie Primavesi stammte aus der Lombardei, übersiedelte Ende des 18. Jh. nach Olmütz und nahm rasch eine der höchsten Positionen in der Finanz- und Wirtschaftswelt Mährens ein. Otto Primavesi (Olmütz 1868–1926 Wien) war laut Kuno Grohmann einer der reichsten Industriellen Mährens, der mit seinem Bruder gemeinsam die 2/3 Majorität des Vereines mährischer Zuckerfabriken, die Flachsspinnerei in Lichtenwerden, die Jutespinnerei im Würbenthal und ein Bankhaus in Olmütz besass. (Kuno Grohmann: Geschichtlicher Rückblick auf die Ereignisse in der Wiener Werkstätte, o. J., S. 1. Die Kopie des 30seitigen Typoskriptes, das Werner J. Schweiger mit 1930 datiert, wurde uns für diesen Aufsatz dankenswerterweise vom Kunstarchiv Werner J. Schweiger zur Verfügung gestellt.)Eugenie Primavesi (Wien 1874–1962 Wien), geb. Butschek, stammte aus der Familie eines Bahnbeamten, die um die Mitte des 19. Jh. nach Langenzersdorf zog. Nach einer Schauspielausbildung spielte sie unter ihrem Künstlernamen Mäda — den sie in der Folge beibehielt — in Prag und Olmütz, wo sie Otto Primavesi kennenlernte und 1894 heiratete. Der Ehe von Otto und Mäda Primavesi entstammen vier Kinder: Otto (1898–1985), Lola (1900–?), Mäda (1903–2000) und Melitta (1908–?). Vgl. Pavel Zatloukal: Anton Hanak und die Mäzenatenfamilie Primavesi. In: Friedrich Grassegger, Wolfgang Krug (Hrsg.): Anton Hanak (1875–1934), Wien, Köln, Weimar 1997, 114 und Franz Planer (Hrsg.): Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft 1929. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte, Wien 1929, 492.
40. Vgl. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 143 bzw. 338ff.
41. Vgl. Zatloukal: Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 123.
42. Soweit aus der Literatur ersichtlich ist, dürfte Ottos Cousin Robert Primavesi Anteile am Bankhaus Primavesi besessen haben, vgl. auch Interview mit Margareta und Götz Primavesi vom 16. 11. 2000.
43. Vgl. dazu Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 127.
44. Vgl. Zatloukal: Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 116.
45. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 96.
46. Zu den plastischen und kunstgewerblichen Arbeiten Anton Hanaks für die Familie Otto und Mäda Primavesi vgl. Zatloukal: Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 112–130 bzw. Sabine Aggermann-Bellenberg: Bildhauerei zwischen Historismus und Moderne. Zum bildhauerischen Werk von Anton Hanak vor 1918, 105–111, beides in: Friedrich Grassegger, Wolfgang Krug (Hrsg.): Anton Hanak (s. o. Anm. 39).
47. Gottfried Fliedl: Gustav Klimt 1862–1918. Die Welt in weiblicher Gestalt, Köln 1993, 213.
48. Zu weiteren Auftragswerken der Familie Primavesi an Gustav Klimt vgl. Zatloukal: Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 123, Fußnote 29.
49. Vgl. Zatloukal: Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 123.
50. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 97; Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 69ff.
51. Nach diesen Übertragungen besitzt Otto Primavesi mit einer Stammeinlage von 700.000,– Kronen über 80% des 830.000,– Kr. umfassenden Stammkapitals; vgl. Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 70f.
52. Zur Biographie von Philipp Häusler vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 112.
53. Arbeitsprogramm der Wiener Werkstätte, Wien 1905, zit. nach Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 42.
54. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 68.
55. Kolo Moser formulierte die Unmöglichkeit, die aufwendigen Produktionsbedingungen mit einer auch nur halbwegs kostendeckenden Preisgestaltung zu vereinbaren, bereits 1907 in einem Brief an Hoffmann; vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 68 bzw. Fußnote 262.
56. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 69.
57. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 72f.
58. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 113f.
59. Josef Hoffmann: Die Wiener Werkstätte. In: Die Wiener Werkstätte 1903–1928. Modernes Kunstgewerbe und sein Weg, Wien 1929, o. S.
60. Die Künstlerwerkstätten der Wiener Werkstätte stehen laut Schweiger einzigartig da in der Geschichte des Kunsthandwerkes. Die Künstler, die keine eigenen Werkstätten besaßen oder denen die Produktionsmittel fehlten, konnten dort ohne eigenes Material und ohne eigene Kosten experimentieren. Die Wiener Werkstätte behielt sich lediglich das Recht vor, die Produkte, wenn sie deren Qualitätsansprüchen entsprachen, zu erwerben und in ihr Sortiment aufzunehmen. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 97ff.
61. Brief von Philipp Häusler an Joseph Urban vom 13. Juni 1922, S. 6, zit. nach Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 113.
62. Kallir: Viennese Design and the Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 37.63. Kallir: Viennese Design and the Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 39.64. Interview mit Margareta und Götz Primavesi am 16. Nov. 2000.
65. Kallir: Viennese Design and the Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 150, Fn. 50.
66. Vgl. Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 74.
67. Zum Ausgleichsverfahren der Wiener Werkstätte vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 121f. und Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 77.
68. Otto Primavesi starb am 8. Februar 1926 in Wien an den Folgen einer Lungenentzündung, vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), Fußnote 538.
69. Die Wiener Werkstätte und das Olmützer Bankhaus Primavesi. In: Der Abend, 9. April, Wien 1926, 4.
70. Brief von Philipp Häusler an Joseph Urban am 13. Juni 1922, zit. nach Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 112f., siehe auch Fußnote 480.
71. Kuno Grohmann: Geschichtlicher Rückblick auf die Ereignisse in der Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 39), 14.
72. Kallir: Viennese Design and the Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 38.
73. Carl Otto Czeschka etwa kritisierte in einem Brief an Hans Ankwicz-Kleehoven die, chaotische Arbeitsbedingungen verursachende, mangelhafte Planung und Kalkulation durch Fritz Waerndorfer während der Arbeiten für das Palais Stoclet; vgl. Brief von Carl Otto Czeschka an Hans Ankwicz-Kleehoven vom 15.–19. Oktober 1954, Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Handschriftensammlung, I. N. 158.576. Und Kuno Grohmann erinnert sich in seinem geschichtlichen Rückblick an die undeutliche bzw. fehlerhafte Buchhaltung in der Wiener Werkstätte; vgl. dazu z. B. Kuno Grohmann: Geschichtlicher Rückblick auf die Ereignisse in der Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 39), 13.
74. Grohmann: Geschichtlicher Rückblick (s. o. Anm. 39), 7.75. Vgl. Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38),
75. Übertragung an Eduard J. Wimmer 280.000,– Kronen, an Ludwig Gallia 420.000,– Kronen.
76. Grohmann: Geschichtlicher Rückblick (s. o. Anm. 39), 2.
77. Vgl. Grohmann: Geschichtlicher Rückblick (s. o. Anm. 39), 3.
78. Grohmann: Geschichtlicher Rückblick (s. o. Anm. 39), 11.
79. Grohmann: Geschichtlicher Rückblick (s. o. Anm. 39), 11.
80. Interview mit Margareta und Götz Primavesi am 16. Nov. 2000
81. Die Wiener Werkstätte 1903–1928 (s. o. Anm. 59).
82. Grohmann: Geschichtlicher Rückblick (s. o. Anm. 39), 13.
83. Zum 25jährigen Jubiläum der Wiener Werkstätte vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 123ff. und Fußnote 572.
84. Vgl. Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 80f.
85. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 26 und Fußnote 586.
86. Vgl. Arbeithuber: Die Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 38), 82.
87. Vgl dazu: Josef Hoffmann und die „W. W.“. Das Scheiden des Künstlers aus der „Wiener Werkstätte“. In: Neues Wiener Tagblatt vom 21. Jänner 1932, Wien 1932, 5
88. Firma Hoffmann-Primavesi oder die „Neue Wiener Werkstätte“. In: Der Wiener Tag vom 3. Juni 1933, Wien 1933, 4.
89. Vgl. Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 127 und Fußnote 593.
90. Vgl. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 219f. und: Ehrenvolle Berufung Prof. Hoffmanns, Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, vom 8. Juni 1941, 5 und Neues Streben im Kunsthandwerk. VB-Gespräch mit Prof. Hoffmann, Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, vom 11. Juni 1941, 5.
91. Interview mit Margareta und Götz Primavesi am 16. Nov. 2000; Mäda Primavesi starb am 31. Mai 1962 in Wien, nicht, wie von Pavel Zatloukal fälschlich behauptet, in New York. Zatloukal dürfte Eugenie (Mäda) Primavesi mit ihrer Tochter Mäda verwechselt haben, die im Jahre 2000 in Kanada starb; vgl. Zatloukal, Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 130.
92. Josef Hoffmann: Selbstbiographie (s. o. Anm. 34), 122.
93. Alle abgebildeten Fotos stammen aus dem Privatbesitz von Margareta und Götz Primavesi. Wir bedanken uns auch sehr herzlich bei unserem Kollegen Alfred Slezak, ohne dessen engagierte und kompetente Bildbearbeitung es nicht möglich gewesen wäre, den Aufsatz durch eine so große Zahl von Abbildungen zu illustrieren.
94. Die Seiten bestehen aus goldfarbenem, rotem, gelbem, grünem und hellblauem Buntpapier.
95. Auf der Innenseite des Umschlages befindet sich der Firmenstempel der Wiener Werkstätte: „Betriebges. m. b. H./ der WIENER WERKSTÄTTE/ Produktiv-Genossenschaft/ Gegenstände des Kunstgewerbes/ [...] Abteilung“.
96. Das Stoffmuster ist in Schweiger: Wiener Werkstätte (s. o. Anm. 22), 221 abgebildet.
97. Die Informationen zu Baugeschichte und Ausstattung basieren auf Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 127–13 u. 360–362; Pavel Zatloukal: Vila Primavesi v Olomouci, Olomouc 1990 — vgl. hier vor allem die Pläne und Abbildungen 41–51.
98. Das Lusthaus war mit dem Hauptgebäude durch einen verglasten Wandelgang verbunden.
99. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 129.
100. Der Begriff „Heimat“ wurde um die Jahrhundertwende durch die Industriegesellschaft mit neuer Aktualität erfüllt. Im Zusammenhang mit baukünstlerischen Bestrebungen bedeutet der Begriff „Heimatstil“ (bzw. später „Heimatschutzstil“) einen Versuch, das Prinzip der Regionalität in der Architektur stärker zu betonen. Zu diesem Phänomen vgl. Géza Hajós: Heimatstil — Heimatschutzstil, Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Heft 3/4 (1989) 156–164; Andreas Lehne: Heimatstil — Zum Problem der Terminologie, ebenda,159–164.
101. Eine Holzkirche ist im nahe gelegenen Bad Groß Ullersdorf in Blockbauweise errichtet. Vgl. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 129.
102. Weitere Bauten Hoffmanns aus dem Höhepunkt der klassizistischen Phase: Österreich-Haus auf der Werkbundausstellung in Köln (1914), Villa Primavesi-Skywa, Wien, 13, Gloriettegasse 18 (1913–1915), vgl. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13) 121ff., 363ff., 365ff.
103. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 132.
104. Eine Zusammenstellung der Literatur zum Landhaus befindet sich in Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 362.
105. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 132. Dort wird auch vom Sänger Leo Slezak berichtet, der meinte: Das ist ja sicher ein sehr schönes Haus, aber ich möchte nicht drinnen wohnen.
106. Josef Hoffmann: Selbstbiographie (s. o. Anm. 34), 119.
107. Vgl. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 130 und Friedrich Grassegger, Wolfgang Krug (Hrsg.): Anton Hanak (s. o. Anm. 39), 126.
108. In der Familie hat sich die Erinnerung an diese Bezeichnung erhalten. In den Plänen ist dieser Raum für die „Rodeln“ — also für Wintersportgeräte vorgesehen. Im Keller gab es außerdem eine Kegelbahn.
109. Brief von Mäda Primavesi an Josef Hoffmann vom 21. 12. 1919, Privatbesitz Margareta und Götz Primavesi.
110. Josef Hoffmann: Selbstbiographie (s. o. Anm. 34), 119.
111. Allein das Sockelgeschoß blieb bestehen, darauf wurde 1926–30 ein Neubau eines Erholungsheimes errichtet, der noch besteht. Vgl. Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 362 und Zatlokal: Vila Primavesi v Olomouci (s. o. Anm. 97), 51.
112. Für das unentgeltliche Anfertigen der Nachdrucke möchten wir uns beim Grafiker Eric Neunteufel sehr herzlich bedanken.
113. Ein weiteres Exemplar befindet sich in der ÖNB, Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung, wobei bei diesem Blatt die seitlichen schwarzen Balken weggeschnitten wurden. Dieses Exemplar wurde uns dankenswerterweise von Frau Margarethe Kuntner geschenkt.
114. Im Besitz der Familie befinden sich noch einige Drucke, von denen sie großzügigerweise drei Exemplare der ÖNB, Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung geschenkt haben.
115. Eine Abbildung der Brosche befindet sich in: Gabriele Fahr-Becker: Wiener Werkstätte, Köln 1994, 176.
116. Eine Abbildung des Teeservices befindet sich in: Peter Noever, Oswald Oberhuber (Hrsg.): Josef Hoffmann. Ornament zwischen Hoffnung und Verbrechen, Wien 1987, 131.
117. Das Grabmal Bernactzik (1920) ist abgebildet in Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 385.
118. Der Schrank ist abgebildet in Sekler: Josef Hoffmann (s. o. Anm. 13), 148.


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